Samstag, 6. November 2010

lvz kultur vom 6.11.10: Alice Cooper, von Schorlemer, Grimaud & Philipp Neumann

Im Reigen der zehn großen Rocksängerlein gibt sich heute auch Alice Cooper in der Arena Leipzig die Ehre. Claudia Nitsche sprach mit der Legende der Siebziger und Achziger Jahre und heutigen Saturn-Werbeikone Dass hinter der schillernden Fassade von Mr. Hyde ein Dr. Jekyll steckt, ein braver Sonntagskirchgänger und seit 35 Jahren verheirateter, seine Kinder liebende Ehemann, mag erstaunen, wenn man es nicht längst wusste oder wenigstens ahnte. Auch hinter den großen des Showbusiness steckt selbstverständlich die Kunst der (Eigen-)Inszenierung. Inmitten der vielen Rockheroen seiner Zeit, von Mick Jagger, Paul Mac Cartney bis Bowie, besetzte der clevere Schauspieler die Rolle des Dracula des Rock n'Roll und füllte sie lustvoll bis heute. Für den privat unspektakulären Geniesser gehörten „Horror und Humor“ schon immer zusammen. Im Gegensatz zu den vielen Eintagsfliegen, für die die Paarung eher andersherum gilt.

Freifrau von Schorlemer, sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, lässt die Katze aus dem Sack. Die Landesbühnen Sachsen werden von einer landeseigenen Einrichtung in eine gGmbH umgewandelt, an der sich (Abstecher-)Kommunen und Kreise beteiligen können oder besser sollen, allen voran die Sitzgemeinde Radebeul. Alle Beteiligten kamen bisher recht kostengünstig und ohne Verpflichtungen in den Genuss des breiten Kulturangebots der LBS. Ob die infragekommenden Städte und Kreise das Geld aufbringen wollen (oder können), bleibt allerdings vollkommen offen. Bei der chronischen Unterfinanzierung der Kommunen sollte man nicht gerade optimistisch sein. Und ob das Konstrukt, Geld, das bisher an die acht Kulturräume verteilt worden ist, diesen rechtmäßig vorenthalten werden kann zugunsten einer klar definierten, regional begrenzten Gesellschafterversammlung, ist mit dem jüngsten Rechtsgutachten von Prof. Ossenbühl ohnehin die Frage. Auch wenn das Land die Summe, die den Räumen genommen werden soll, auf 3 Mio € reduzieren will. Zumal auch der Kulturrat, der an der Verteilung der Gelder innerhalb der Kulturräume mitzuwirken hat, vom Freistaat nicht mit einbezogen wurde. Konsequent bliebe nach wie vor, die zwei oder drei infragekommenden Kulturräume mit mehr Geld auszustatten, um die Umwidmung der LBS zu ermöglichen.

In einer wieder einmal wundervollen Glosse von Jürgen Kleindienst begeht der lvz redakteur den nur als Hofnarr der Mächtigen erlaubten Frevel, eine Preisverleihung in Worten größter Empörung an den Pranger der Öffentlichkeit zu stellen. Gudrun Krämer, eine schon durch ihr Geburtsjahr im Verdacht einer „multikulti-verblendeten Jung-68erin ohne jeden Bezug zur Lebensrealität“ des Bildzeitung lesenden Deutschlands stehenden Institutsprofessorin, ist sicher längst im Visier des BND. Erdreistet sich die Wissenschaftlerin doch einer „ganz besonders raffinierten Form der Verharmlosung islamistischer Bedrohung“. Sie will partout über Inhalte integrationsfördernder Umstände reden. Und wird dafür sogar ausgezeichnet. Und mit 100.000 € versehen. Wie sagt Kleindienst: „Nicht zu fassen!“

Der Meister des journalistischen double-bind, Peter Korfmacher, schreibt über ein Aufsehen erregendes Großes Concert im Gewandhaus. Beethovens fünftes Klavierkonzert, diese „Rebellion in Tönen“, wurde gegeben, unter der Leitung von Roger Norrington, mit Hélène Grimaud am Flügel. Korfmacher spricht von „Verlusten“ und davon, wie „schwer“ sich die beiden Protagonisten tun, die „Akkordschläge des Kopfsatzes übereinander“ zu bringen. Zu unterschiedlich ihre Interpretationsansätze. Zuspitzung (Grimaud) contra Ausgleich (Norrington). Andererseits vermag der „allumfassende Anspruch“ dieses Beethoven-Konzerts gerade dadurch „hörbar“ werden, dass „man nicht versucht, die Widersprüche in philharmonische Verbindlichkeit aufzulösen“. Auch Korfmacher ist Virtuose in der Kunst, einerseits und andererseits, Zuspitzung und Ausgleich gleichermaßen anzubieten, für jeden das, was er hören oder lesen mag.

Nina May hat noch einen kurzen eineinhalbstündigen Abend in der Schaubühne Lindenfels verbracht. Philipp J. Neumanns Instinkt-Tanz-Theater „Prophezeiung 20/11“ fand als Eigenproduktion der euro-scene Leipzig statt, doch „was zu Beginn noch wohligen Schauer auslöst, lässt bald kalt“. Der Abend verbleibt im „Experiment-Charakter“ und zeigt abgesehen von spannungsvollen Objektinstallationen von Hagen Tilp eher ein „verwirrtes Getaumel der Tänzer“, die sich zunehmend hin zum Animalischen entwickeln, bevor die Tiermenschen durch eine Herde echter Schafe abgelöst und sich von einem artifiziellen Gebilde ins Bockshorn jagen lassen. So wie die Zuschauer, die „Schafsleckerlis“ und später müden Applaus spenden dürfen.

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