Donnerstag, 29. Juli 2010

lvz kultur vom 29.07.10: Riehms "Dionysos", Männer und Krumbiegel

da besteht die möglichkeit, die uraufführung einer oper eines der wenigen großen, lebenden opernkomponisten unserer zeit, und damit unsere zeit selbst zu beschreiben, und die lvz vertut diese chance. schade.
wolfgang riehms opernphantasie "dionysos" über den denker friedrich nietzsche, bei den salzburger festspielen uraufgeführt, wurde, so rainer wagner, vom publikum mit großem jubel gefeiert. der rezensent vermutet darin allerdings, dass "die ratlosen sich nicht als nichtdenker entblössen wollten" - und reiht sich umstandslos unter ihnen ein. riehm benutze nietzsches texte als "wortsteinbruch", sein stück sei "ein irrgarten", die inszenierung pierre audis "so sperrig wie sinnlich", meeses bühne voller "chiffren". leider lässt wagner den ariadnefaden, den riehm mitliefere, in seinem eigenen text vermissen. keiner seiner sätze lässt beim leser bilder oder zusammenhänge entstehen, riehms musik- und bedeutungskosmos wird an keiner stelle angedeutet, die inszenierung versuche gar, statt sie zu "straffen" die "geschichte zu ende zu erzählen". peinlich wird es, als wagner der inszenierung schließlich ankreidet, auf das stück keine "eigene sicht" zu entwickeln, und im gleichen satz seinen vorwitz wieder zurückzieht, denn das sei "bei einer uraufführung auch nicht nötig".
"männer", eine ausstellung im leipziger fotomuseum mölkau mit porträts der fotografin eva mahn, hätte kritiker bernd locker am liebsten mit einer endlosschleife des grönemeyer-songs gleichen titels zum "audio-visuellen kabinett" gestaltet. umso lieber zitiert der rezensent aus der heiter-ironischen männermystifikation des ruhrpottpoeten. hinter den fotos - selbstinszenierten herrschaftsposen erfolgreicher menschen aus mahns direktem lebensumfeld, vom sparkassendirektor bis zum psychologen - vermutet locker die gleiche grönemyersche ironie, "anders" könne man "sich dem subtilen thema gar nicht nähern, zumal als frau". doch in mahns fotoporträts scheint mehr zu entdecken sein, als männer gerne von sich preisgeben möchten. das in ihrer inszenierung scheinbar individuell verkörperte starke und souveräne männliche ego entpuppt sich, so kann man bernd locker auch verstehen, in der vielfalt vielmehr als soziale konstruktion eines "als kind schon auf mann geeichten" (grönemeyer) geschlechts. dass zudem nur auf einem einzigen bild auch gefühl zum ausdruck kommt, stimmt den kritkermann allerdings nachdenklich.
auf der szene leipzig-seite darf sebastian krumbiegel über sein persönlich-prägendes musikerlebnis schreiben. es ist "bohemian rhapsody" von queen, ohne die es - so kalauert krumbiegel - keine prinzen gegeben hätte. das schräge psychogramm eines jungen mannes, der gerade jemand erschossen habe, sei große oper und gleichzeitig eine unbesch und Krumbiegelreibliche reise durch verschiedene musikstile, die ihn erst zum musikstudium gebracht hätte, und auch noch in 100 jahren gehört würde.
in der szähne-glosse brilliert mathias wöbking mit der nachricht, das "künstlerkollektiv bp" habe den leipziger maler michael fischer-art engagiert, trotzdem der in der bp-kernkompetenz "öl-malerei in wasser" ein noch unbeschriebens blatt sei. hoffnung - insbesondere für die echtzeit-installation "deepwater horizon" - läge vielmehr in der selbstzerstörerischen kraft des fischer-art-oeuvres, das dieser schon vielfach, u.a. in seinem kunstprojekt am leipziger brühl, bewiesen habe.
warm anziehen darf sich die leipziger kultur, wenn man dem grünen-fraktionschef und vorsitzenden des kulturausschusses wolfram leuze in seinem gespräch mit ulrich milde zuhört. er möchte partout lieber nicht selbst sagen, wo künftig gelder im stadthaushalt eingespart werden sollten, sondern möchte der guten basisdemokratischen tradition folgen, die bevölkerung selbst darüber entscheiden zu lassen, wo sie sich amputieren möchte, d.h. welche kultureinrichtung eingespart werden könne. prost mahlzeit.

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