Freitag, 24. September 2010

lvz kultur vom 24.09.10: F/Stop, Museumsschließung

Mit stupendem Wissen, leider gewohnt insiderhaft schreibt der Peter Korfmacher der Bildenden Kunst, Meinhard Michael, über das F/Stop-Fotofestival "Im Verborgenen: 5pm-5am". Nicht ohne gleich zu Beginn auf "hämische Kritik" am vorjährigen Selbstlob hinzuzweisen, mit dem Kristin Dittrich die eigene Ausstellung als "bedeutend, hochqualitativ und international" bezeichnet hatte. Aber eben nur hinzuweisen, nicht zu bestätigen oder zu widerlegen. Ob die diesjährige Foto-Schau qualitativ gelungen sei, wird über die skizzenhafte 'Nacherzählung' vieler einzelner Bilder oder Serien nicht deutlich. Interessant erscheinen sie schon, was vielleicht auch an Wörtern wie "traumhafte, jugendgefährdende Momente" der Fotos Arja Hyytiäinen, "hinterlistige Performances" von Thomas Xaver Dachs, die "tragische Exklusivität" der Bilder Thomas Kerns oder wenn auf Peter Bialobrzeskis Langzeitbelichtungen asiatischer Megastädte "das Licht grell jede Quelle umwölkt" liegen mag, die so wunderhübsch zu raunen vermögen. Von allem gebe es was, von "künstlerischer Fotografie" und von "fotografischer Fotografie", aus "traditionellen" oder auch "angesagten" Richtungen. Also nichts wie hinaus in die "Lange Nacht der Fotografie", morgen im Tapetenwerk, in die Zeit, in der "die Dummheit schlafe", wie Michael Karl Kraus zitiert.
Was in Leipzig das Naturkundemuseum, ist den Hamburgern das Altonaer Museum. Es soll schließen. Um Geld zu sparen. Jenny Tobien zitiert dessen Leiter, Torkild Hinrichsen: "Das geistige Herz von Altona wird herausgerissen" und "Das Gefährliche ist, dass die Schließung eine Kettenreaktion auslösen wird." Der Präsident des Deutschen Museumsbundes, der Leipziger Volker Rodekamp, lässt sich im DLR Kultur nur zu den Worten hinreissen: "Diese Nachricht erfüllt mich mit großer Sorge". Ein Schelm, der Arges dabei denkt. Der Leiter des hiesigen Stadtgeschichtlichen Museums denkt hier wohl eher an sich selbst. So unverblümt wie die Hamburger Opernintendantin Simone Young, die die Einsparforderung von 1,2 Mio Euro an das Hamburger Schauspielhaus als erstes mit der "Erleichterung" kommentiert, dass ihr eigenes Haus noch mal davongekommen sei, macht er das zwar nicht. Aber die trendige Aufkündigung des Solidargedankens steckt hinter manchem Schweigem oder mancher Krokodilsträne, die von Intendanten und Leitern öffentlich gerade vergossen wird. Solange, bis sie selbst an der Reihe sind. "Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus/ zünd andre an."

Nina May ist ganz verzückt über das Frauen-Duo am Theater Gera-Altenburg, Amina Gusner und Anne-Sylvie König. Die Schauspieldirektorin und die Chefdramaturgin werden - anlässlich ihrer bevorstehenden "Faust"-Inszenierung - als erstes mit ihren bei "Kaffeeklatsch und konzentrierter Schöpfung" ausgeheckten "Plänen" zitiert, "wie sie das Theater noch weiter aufmischen könnten". Sie plädieren für "das Zulassen von Emotionen" in der Kunst wie im Leben, und kritisieren Männer in Führungspositionen, die "sich sehr ernst nehmen". Ganz im Stile patriarchaler Unterordnung postuliert May, dass die Geraer Frauen doch "Glück hätten", weil Intendant Matthias Oldag "seine (!) Frauen schätze". Anarchischer und gleichzeitig nüchtern klingen Gusner/König, wenn sie sagen, wie anstrengend der tägliche Kampf in der Männerdomäne Theater und wie verletzlich sie weiterhin seien, bevor sie in raschem Schwenk ihre Sympathien für die mephistophelische Seite des Lebens bekennen: "Unfug braucht das Land". Sympathisch. Hoffentlich auch gut.
Anlässlich der bevorstehenden Premiere von Wolfgang Engels "Der Turm" nach Uwe Tellkamp am Schauspiel Dresden sprach Adina Rieckmann mit dem Autor. Dass sie Tellkamp ständig notwendige "Substanzverluste" bei der Umsetzung auf die Bühne in den Mund legen will, kontert Tellkamp halbwegs charmant, ohne auszuschließen, dass er das Ergebnis eventuell nicht gut finden wird. Die Aktualität der Themen "Hausmusik, Lektüre, intellektueller Austausch" sieht der Dresdner Tellkamp allerdings weit über die sächsische Residenzstadt selbst gegeben. In unserer "Biedermeierzeit" finde sich das Bildungsbürgertum auch an vielen anderen Orten in West und Ost. Weg sei es ohnehin nie gewesen, "auch wenn uns die mediale Welt das mitunter glauben machen" wolle. Hoffentlich wird das Schauspielhaus nicht der neue "Turm" des Konservatismus in diesem unseren Lande. Auch ein interessantes Fernduell der beiden (naja, z.T. vormaligen) Leipziger Intendanten um zeitgemäße Konzeptionen aktueller Schauspielkunst.

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