Donnerstag, 9. September 2010

lvz kultur vom 09.09.10: Dudenhöffer, Franzen, Roncalli & Leipzigs Oper

Kabarett-Redakteur Mark Daniel interviewt den Komödianten und Kabarettisten Gerd Dudenhöffer über seine Kunstfigur Heinz Becker und sein neues Programm "Kosmopolit". Der gar nicht so unsympathische Einfach-so-Herausplautzer Becker errege wegen seines offensichtlichen Mangels an Kalkül eben doch die Sympathien der Zuschauer. Das freut Dudenhöffer einerseits, dennoch distanziert er sich von dem Unsinn, der aus Beckers Mund in die Welt fällt. Und wenn Zuschauer in ihrer Zustimmung zu den Beckertiraden nicht merkten, dass sie sich gerade selbst entlarven, freut sich Dudenhöffer umso mehr. Manche lachen halt gerne, in Abwandelung eines bekannten Kritikerdiktums, über ihrem Niveau.
Gisela Ostwald, von der man nicht recht erkennen kann, ob sie Jonathan Franzens neuen Roman "Freiheit" bereits gelesen hat, bevor sie ihn über den grünen Klee lobt, meint, Franzens "vierter Roman übertrifft alles, was der inzwischen 51-jährige Autor bisher geschrieben hat". Franzen stelle, um mit dem britischen Guardian zu sprechen, die entscheidende Frage: "Worum geht es eigentlich im Leben?" Merkwürdig haltungslos schreibt Ostwald, die Essenz von Franzens neuem Roman sei: "Wenn wir Freiheit zum entscheidenden Maßstab für unsere Kultur erklären, sollten wir sorgfältig prüfen, was uns Freiheit überhaupt bringt." Entweder ist die Aussage, dass "Freiheit keineswegs glücklich mache", banal (Wer sagt überhaupt, dass dies die Aufgabe von Freiheit sei? Ist Freiheit nicht auch eine Frage von Würde oder empfundener Ohnmacht?), oder sie wirkt, von jemandem, der sie wohl nicht entbehren muss, abgehoben und paternalistisch. Leider bleibt der Artikel an dieser spannenden Stelle stecken. Denn "das politische Parkett", auf das sich Franzen damit "gewagt" habe, verlässt Ostwald lieber ganz schnell zugunsten der Kulinarik: "'Freiheit' ist ein epischer Genuss, der süchtig macht."
Roncalli-Chef Bernhard Paul möchte den verlorengegangenen "Zauber" der Zirkusbranche mit einer eigenwilligen Strategie zu Leibe rücken, schreibt Daniel Große. Er produziere gerade im Tonstudio des "Prinzen"-Musikers Tobias Künzel in Taucha eine "groß angelegte"Hörspielreihe für Kinder. Inhalt: Geschichten aus dem Milieu des Zirkus. Auf diesem Umweg über die Kinderzimmer und das "Kopfkino" möchte er die Fantasie von Kindern anregen, Traditionen bewahren - und den Zirkus gleichzeitig "jung halten". Eins verrät Bernhard Paul aber nicht: Warum Roncalli zukünftig nur noch ohne den Zusatz "Circus" im Namen auftreten will.
Ein Gespenst geht um in Leipzig: Die Fusion. Opernchef Maravic wehrt sich vehement gegen die Zeichen der Zeit. Die bedeuten angeblich: Entweder fusionieren Oper und Gewandhaus oder Oper und Schauspiel. Das Gedankenspiel weitergesponnen: Für die erste Variante spricht scheinbar die Logik. Schließlich spielt das Gewandhausorchester bereits bei allen Opernaufführungen. Aber ob der Porschemotor im VW-Passat wirklich sinnvoll ist, wenn dadurch die eigene Entwicklungsabteilung Schaden nähme? Die zweite Variante setzt auf modernes, biederes Dienstleistungsunternehmen. Was, außer den Finanzen, ist die Vision? Die Frage stellt sich ohnehin, welcher künstlerische Kopf bei der Verteilung des Geldes das Sagen hätte. Oder ob das Vorbild Halle, das Zusammenlegen aller bisherigen Einzelbetriebe unter ein gemeinsames Dach, mehr Esprit hätte? Sicher nicht. Die Oberhoheit eines Geschäftsführenden Verwaltungsleiters über einen siebenköpfigen Drachen wäre nur von kurzer Dauer. Entweder zerfleischen sich alle gegenseitig, oder heraus käme ein zahmes Kuscheltier. Seid lieber klug und mutig bei der Auswahl der kreativen Köpfe an der Spitze der Eigenbetriebe, verhandelt besser mit dem Land und setzt auf breitere Akzeptanz in der Region. Dann ist der Anteil von 10% des Stadtetats für den Kulturbereich gut angelegtes Geld, das die attraktive Stadt noch attraktiver macht.

1 Kommentar:

  1. Der Roncalli möchte zukünftig nur noch ohne den Zusatz Circus auftreten, weil der Circus an sich eben ein Problem hat und er Angst hat, das schlechte Image könnte auch auf ihn überschwappen. Zudem sieht Paul seinen Roncalli eben in einer Art Sonderstellung. Roncalli sei mehr als Circus. Kann sein, dass diese Erklärung beim Redigieren des Textes rausgefallen ist. Danke für die Erwähnung. :)

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