Montag, 27. September 2010

lvz kultur vom 27.09.10: Tellkamp, Rostock-Lichtenhagen, Titanick & Pressefreiheit

Soll das die Alternative zu Sebastian Hartmanns Centraltheater sein? Wolfgang Engels Inszenierung von Uwe Tellkampfs "Der Turm" hatte am Staatsschauspiel Dresden Premiere. Nina May war dabei. Und bescheinigt Engel Entscheidungsfaulheit, als ob er zur bürgerlichen Personage des Romans selbst gehörte, die der "Krankheit Gestern" verfallen sind. Engel illustriere die radikal kondensierte Romanhandlung, ohne eine Haltung zu dem zu finden, was sich im Roman nicht in Dialogen ausdrückt. Der Rest sei redseliges Deklamationstheater. Drei Stunden lang, mit deutlichen Längen. Das einzige Lob, das Nina May äußert, gilt dem Bühnenbild - und der Tatsache, dass "man froh ist, auf der Bühne überhaupt mal wieder Handlung zu sehen".
Und sonst? Burhan Qurbani, Regisseur des Films "Shahada", plant einen Film über die Ereignisse, die sich 1992 in Rostock-Lichtenhagen ereigneten, als ein Asylantenheim in Flammen aufging unter dem Jubel vieler Schaulustiger. Qurbani, der zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre alt war und sich damals erstmals "als Ausländer fühlte", findet für den geplanten Film den merkwürdig veralteten Begriff eines "Sittenbildes" der Zeit der Ernüchterung nach der Wende.
Offene Münder, wie sie so gerne beim Kindertheater gesehen werden, gab es am Freitag beim 20. Geburtstag des Theater Titanick. Auf der Open-Air-Bühne auf der Alten Messe machten sie viel kreatives "Kling Klong Zisch", sagt Carolin Baetge. Wenigstens kein "schnödes Theaterstück", sondern "Eine Sinfonie für drei Hochöfen". Was die "Musiker", von Schauspiel ist bei dem "Theater" anscheinend keine Rede, aufführten, klingt bei Baetge allerdings wie der verspätete Soundtrack zu Silvester 1999. Caroline Baetge wünschte zumindest "Happy Birthday".
Ulrich Steinmetzger war anlässlich der Jazztage im UT Connewitz bei Burnt Friedman und Jaki Liebezeit, Der 1965 geborene Elektronikbastler Friedman und der Schamane der Trommeln, der 72-jährige Liebezeit, zauberten eine Musik "rauschhafter Entrückung": "Das ist archaisch und genau deswegen auf der Höhe der Zeit", befindet Steinmetzger hingerissen, und raunt zudem von "Verteidigung der Individualität", aber auch von einer Vitalisierung des Genres, die sich in "neuen Techniken, Grenzüberschreitungen und Kreuz- und Querverbindungen" jenseits der reinen Lehre des Jazz ausdrücke.
Einer tragikomischen Realitätsverblendung hinsichtlich von Meinungs- und Pressefreiheit huldigten lvz Chefredakteur Bernd Hilder und Autorin Brigitte Klump ("Das rote Kloster") im Zeitgeschichtlichen Forum. Hilder konzedierte den lvz Redakteuren nach 1990, dass sie sich "schnell einem freien Journalismus verpflichtet" fühlten und sich "auf die neuen Anforderungen einstellten". Das klingt nach Opportunismus, aber nicht nach gelebter Wahrheitssuche. Stichwortgeber Armin Görtz wollte folgerichtig mehr über "politische Korrektheit" erfahren, Klump sah wegen dieser "das Volk" von den "Volksparteien" entfremdet (und führt natürlich Sarrazin als Beispiel an!), Hilder schwafelte derweil etwas von Erfüllung des "Traums der Pressefreiheit" (für wen?), worauf Görtz wiederum das Stichwort der "Meinungsdiktatur der 68er" in die Bütt warf. Zum Glück konterte Hilder geistesgegenwärtig mit dem Diktum, dass "die meisten Zuhörer, Zuschauer und Leser Kampagnen ziemlich schnell" durchschauten. Wo er recht hat, hat er recht.

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