Mittwoch, 15. September 2010

lvz kultur vom 15.09.10: Gewandhaus, Wawerzinek, Centraltheater & Superpunk

Die Musikstadt Wien biete dem Gewandhausorchester eine "zweite Heimat" an, schreibt Peter Korfmacher. "Einen Ritterschlag von der Spitze des Olymp" nennt der Kulturchef in leicht schiefem Bild diese Äußerung des Intendanten Angyan. Und bedauert gleichzeitig, dass die Leipziger nicht in den Genuss des auf seiner Europatournee warmgespielten, noch brillanteren Orchesters kämen. Nach 13 Konzerten in 15 Tagen - interesssant, zu welchen "Belastungen", d.h., Orchesterdiensten Musiker so fähig sind - entdeckt Korfmacher "kristalline Präzision, Schönheit und von jeder Routine freie Inspirationstiefe". Und er findet einen dennoch missgelaunten Gewandhausdirektor. Andreas Schulz ärgern die von Leipziger Stadträten geäußerten Einsparvorschläge und Fusionsideen mächtig. Ist doch der forsche Ikarus der Sonne schon so nah, da soll ihn der flügellahme Dädalus in Gestalt der "Dauerbaustelle Oper" wieder schnurstracks Richtung Heimatboden lenken. Sogar Gott Chailly wedelt besorgt mit seinem Taktstock. Einen Kraftakt, wie die für 2011 geplanten Mahlerfesttage würde er im Wissen um solcherart unplanmäßige Zuschausskürzungen sicher nicht noch einmal angehen.
Vorschusslorbeeren verteilt Janina Fleischer an Peter Wawerzinek für die kommenden Samstag geplante Lesung aus seinem Roman "Rabenliebe" im Piloten. Der "Performancekünstler, Stegreifpoet und Bachmannpreisträger" habe sein Thema der Erinnerung an seine Mutter, die ihn bei ihrer Flucht in den Westen allein zurückgelassen habe, "wie einen Bombengürtel" tragen wollen. Doch "in die Luft" habe er sich nicht gejagt. Stattdessen gelinge ihm in seinem gewaltigen Lebens- und Schmerzensbuch ein Text von so wundervoller Sprache, dass seinem Roman jedenfalls das Etikett "groß" gebühre. Nichts wie hin also.
Ob das auch für die bevorstehende Doppelpremiere am Centraltheater gilt, lässt sich nach dem Gespräch, das Nina May mit den Schauspielbrüdern Manuel und Günther Harder geführt hat, noch nicht sagen. Keine zerstörte Mutter-Sohn-Beziehung wie bei Wawerzinek, sondern zwei gestörte Vater-Sohn-Beziehungen werden zu Spielzeitbeginn mit Schillers "Die Räuber" und Bronnens "Vatermord" auf die Bühne kommen. Schön, dass wenigstens Sebastian Hartmann nach Meinung der Halbbrüder Harder "Wert auf Familiäres" lege. Einige Sätze weiter zitiert May Manuel Harder in einer Reaktion auf die Spannungen im Ensemble allerdings mit dem Satz "Es wird Zeit, dass der Mensch wieder im Mittelpunkt steht." Inszenieren wird übrigens Hartmann keines der Stücke, sondern Martin Laberenz (Schiller) und Robert Borgmann (Bronnen).
Na, da freut athene doch wenigstens, dass die Hamburger Band Superpunk in Ilses Erika einen Superauftritt hingelegt haben samt "des seit langem schönsten Liedes über Lethargie, das man auf dem neuen Album finden" könne. Das schreibt zumindest Anne-Sophie Kretschmer. Die war offensichtlich beim Schreiben noch leicht "verzückt und selig lächelnd". Und während sogar die "Muttersöhnchen im Pullunder ihre wilde Seite" bei den Grooves aus Northern Soul und Punkrock entdeckt hätten, habe "die anwesende Damenwelt" ganz andere, "verwegenere" Ziele im Auge gehabt, nämlich schlicht die "Sahneschnitte" Carsten Friedrich abzuschleppen, seines Zeichens Frontsänger der Superpunk. Zu diesem Zwecke hätten die frivolen Bacchantinnen nicht mal davor zurück- äh, -geschreckt, "erschreckend tief dekolletiert" herumzu"giggeln" und ihrer "Fanliebe" freien Lauf zu lassen. Frau Kretschmer hielt es da lieber mit der Lethargie-Nummer "Ich will heute nicht kämpfen". "Ach, könnte doch nur jeder Montag so schön enden...", seufzt sie, wie gesagt, noch immer leicht verzückt, ganz ohne sich an Sahneschnittchen den Magen verdorben zu haben.

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