Freitag, 10. September 2010

lvz kultur vom 10.09.10: elektrisch orthodox, Grisham, Collins und Shanghai

"elektrisch orthodox", so schreibt Jürgen Kleindienst, sei eines der überraschenden Ateliers auf dem diesjährigen Herbstrundgang in Tapetenwerk und Spinnerei. Sechs Künstlerinnen lassen viel erwarten, wenn man denn den Weg über manche Treppenstufe und entlang manchen Ganges geschafft habe: Sogar "Alles". Hauptsache, es gehe nicht trocken und clean zu wie in anderen Ateliers. Es geht ums Wohlfühlen, um die Überwindung der Distanz zwischen Werk und Betrachter, zwischen Betrachter und Betrachter. "Alles" heißt auch, "man solle sich nicht davor fürchten, ad hoc verheiratet zu werden". Nicht schlimm. Die Ehe halte gegenwärtig eh nicht länger als bis zum nächsten Händewaschen.
Der strenggläubige Baptist, ehemalige Anwalt, gewesene Abgeordnete des US-Bundesstaats Mississippi und heutige Autor John Grisham ("Das Gesetz") meint, sich gegen einen Glaubensfreund und Friedensfeind zu Wort melden zu müssen: Am 11.9. den Koran verbrennen zu wollen, wie es der "christliche" Fanatiker Terry Jones vorhabe, bedeute nur, Hass zu verbreiten. Für diese Absicht sollte er doch nicht soviel Publicity bekommen. Glaubwürdig, seine Haltung, wenn Grisham nicht von dem Rummel auch Publicity abbekommen würde. Es bleibt vertrackt. Man kann sagen, was man will. Hauptsache prominent. Unmöglich, kein Spielball der Medien zu werden.
Phil Collins hat - ähnlich wie Exkollege Peter Gabriel - ein Cover-Album ausschließlich mit fremden Kompositionen rausgebracht. Wo Gabriel den Songs bedeutungsschwanger mit Orchester zu Leibe rücke, meint Mathias Wöbking, nähert sich Collins dem Motown-Studio-Sound der Sixties so weit an, dass der augenzwinkernde Versuch zu entstehen scheine, Collins selbst sei einer der unbekannten Motown-Sänger gewesen. Dazu schnipsen und stampfen die Collinssöhne Nicholas und Matthew mal mit den Fingern, mal den Füßen. Das sei doch mal ne Aufsehen erregende Haltung zur Musik - findet der witzbegabte lvz Redakteur.
In Shanghai zeige sich die rasante Entwicklung derzeit insbesondere an der Architektur, schreibt Nina May. Die immer dichter an die Wolken kratzenden Hochhäuser stünden für diese Entwicklung. Eine Ausstellung des Goethe-Instituts, "Updating China", sieht diese Entwicklung im Update eines Computers simuliert. Dass dabei auch mal alte Programmierungen stehenbleiben können, entdeckte der hallenser Künstler Michael Krenz, der an der Ausstellung teilhat, in einer im Schatten der Türme gelegenen Bibliothek aus dem 18. Jahrhundert, in der es neben alten Kalligraphie-Tischen auch geschmierte Maoparolen an den Säulen zu entdecken gäbe. Gleichwohl hätte der durch nichts zu irritierende Zukunftsoptimismus der Chinesen Elemente des alten "Amerikanischen Traums" kopiert - oder eben upgedated.

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