Dienstag, 21. September 2010

lvz kultur vom 21.09.10: Julia Roberts, Eberle, Schiff & Deissler

Die lvz kulturredaktion kratzt zusammen, was noch so grade unter ihren Kulturbegriff zu fassen ist. Die wichtigsten Meldungen: Julia Roberts glaubt an ihre Wiedergeburt.

Aus Anlass seines 75. Geburtstages antwortet Schauspieler Friedhelm Eberle auf langweilige Fragen von Rolf Richter. An Magdeburgs Oper spiele er zur Zeit einen Holocaustüberlebenden, der "seine Traumata aufarbeitet." Richter zitiert Eberle mit dem Satz: "Da geht es auch um eine Liebe, die vergast wurde." In seiner Verquerheit der einzige bemerkenswerte Satz des Interviews.

Thomas Meier berichtet über eine Ausstellung zu Arthur Schopenhauer in Frankfurt, die neue Facetten des Philosophen zeige, von denen Meier keine einzige erwähnt, außer der, dass der vorgebliche Frauenfeind zwar zeitlebens unverheiratet geblieben sei, allerdings durchaus Beziehungen zu Frauen gepflegt habe, wie Matthias Koßler, Leiter der Forschungsstelle an der Uni Mainz, zu wissen glaubt. "Auch zu klugen".

Jürgen Kleindienst berichtet über eine Postkartenedition des "Kulturdienstleisters" Culturtraeger (Kleindienst schreibt ohne Sinn für Distinktion: Culturträger) und der Agentur "Frohe Zukunft Export", in der 80 Hallenser und Leipziger Museen je einen besonderen "Schatz" ihres Hauses auf A6 abbilden und in 260 Postkartenständern nicht nur zeigen, sondern auch zur Mitnahme bereitstellen dürfen.

Der Schumann-Verein, schreibt Peter Korfmacher, hat sich anlässlich der Schumann-Festwoche einen "der Großen", den Pianisten András Schiff, zum Konzert eingekauft. Aus besagtem Anlass habe sich "viel Prominenz eingefunden in der guten Stube" an der Inselstraße. Und: Bei diesem Konzert sei zu "spüren" gewesen, "was das Besondere der Musikstadt Leipzig" ausmache. Ja ja, mein Leipzig lob ich mir!

Glücklicherweise gibts noch das Centraltheater. Beim Konzert von Jóhann Jóhannsson, berichtet Piet Felber, spielte der "kräftig untersetzte", wie "ein Buddha" im "dunklen, zugeknöpften Anzug" auftretende Musiker "traditionell epische Gedichte aus Island", deren raue Schönheit "verletztlich, ehrlich und auch hoffnungsvoll" klängen. Auch seine Musikerkollegen schienen "auf für Kontinentaleuropäer unerreichbare Weise bei sich zu sein". Das Leipziger Musik-Publikum, das gerade nicht im Schumann-Haus verweste, war beeindruckt.

Als kleines Satyrspiel im Anschluss an die täglichen Tragödien darf die besonnene Stimme aus dem Stadtrat nicht fehlen. Heute: Der ausgewiesene Kultur-, Schul- und Jugendpolitiker Dieter Deissler (CDU), der Kulturdezernent Michael Faber als "Totengräber unseres (!) Naturkundemuseums" bezeichnet. Er, der sich schon jahrzehntelang für das einzigartige Museum und dessen "Bildungsauftrag" im Kreise seiner Ratskollegen stark gemacht hatte, nahm seinen gesamten Witz zusammen und höhnte: "In welches Museum können denn Vorschulkinder und auch Schüler der Grundschulen gehen? In das Bildermuseum etwa?" Wo doch schon er selbst, seines Zeichens Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Leipzig-Mitte, sich nicht in der Lage fühle, eine mehr als DIN A4-Seiten lange Bildbeschreibung eines der Werke im dritten Stock zu leisten? Ob das denn etwa Vorschulkinder könnten? Herr Dressler beschloss in einem Akt des zivilen Ungehorsams, eine Unterschriftenliste unter seinen düpierten KollegInnen auszulegen und hofft auf mehrere Unterzeichner, die noch für die Werte wahrer kultureller Bildung einstünden. Auch mehrere pensionierte Musiklehrerinnen hätten ihm bereits in persönlichen Vier-Augen-Gesprächen Unterstützung avisiert.

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