Mittwoch, 8. September 2010

lvz kultur vom 08.09.10: Adorf, Maron, Novak & Zeller

Ein furchtbar langweiliges Interview von Rupert Sommer mit Mario Adorf bildet den Aufmacher der Kulturseiten. Anlass ist der 80. Geburtstag des deutschen Schauspielers. Verschenkt. In Adorfs eigenen Worten: "Es ist, wie die meisten Geschenke, schön, aber nicht notwendig." Jedenfalls wollte Sommer nichts wissen, Adorf nichts erzählen und fertig ist der Lack. Vielleicht nicht ganz: Wie manches Geschenk, ist das der lvz eigennützig. Es spekuliert allein auf die Bekanntheit des u.a. aus "Winnetou", "Bellheim" und "Schattenmann" bekannten Darstellers. Ansonsten Volontärs-Fragen. "Fühlen Sie sich geschmeichelt, wenn...", "Was waren ihre Lieblings...", "Wie werden Sie Ihren 80. ...?". Nichtfragen wie "Über solche Rollen muss man sich doch sehr freuen als Schauspieler.", "...das Private zu kurz gekommen?" Vor soviel Ignoranz streckt Adorf die Segel.
Ein kurzes, heftiges Erschrecken scheint hinter den jüngsten Berichten über den aktuellen Fälschungsskandal im Kunsthandel, über den Dorothea Hülsmeier schreibt, auf. Werke, die lange als verschollen oder als selten in der Öffentlichkeit zu sehen galten, darunter von Pechstein, Campendonk, Ernst und Marcoussis, waren Ziel der Betrüger. Noch wird fieberhaft nach weiteren Fälschungen "aus der vermeintlichen Jäger-Sammlung" gesucht. Wer, außer z.B. dem Lehmbruck-Museum, mag noch betroffen sein? Ein Fachmann, Ralph Jentsch, hatte den Betrug aufgedeckt, den viel zu viele Experten in ihren Expertisen nicht bemerkten. Henrik Hanstein vom Auktionshaus Lempertz hält die Fälschungen dagegen schlicht für "genial". Dies, das professionelle Know-How der Kunstszene samt der Intelligenz der Bande lassen vermuten, der nächste Filmstoff wartet auf seine ökonomische Verwertung, bevor seine Protagonisten überhaupt dingfest gemacht sind.
Ulf Heise schreibt über zwei Autorinnen, deren Schreiben sich stark an der DDR-Wirklichkeit gerieben hat, ebenso wie an der heutigen. Der S. Fischer Verlag veröffentlicht just zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit Essays und Reden von Monika Maron, die sie seit der Wende verfasst hatte, unter dem Titel "Zwei Brüder". Geschäftstüchtigkeit, Klugheit und Aktualität bilden hier scheinbar ein starkes Team. Gerade weil Maron zur schlechten Realität der DDR nicht schweigen wollte, hat sie heute ein kritisches und gleichzeitig gelassen-souveränes Verhältnis zu Schönfärbereien ebenso wie Larmoyanz. Die Streitlust mache vor Größen nicht halt (Herrmann Kant: soll endlich endlich den Mund halten; Georg Heym: Arroganz des Satten), ebensowenig wie vor Jedermanns ("Wer in einer Diktatur, und sei es in einer gemäßigten, lebt, neigt dazu, was immer ihm geschieht oder nicht geschieht, dem anzulasten, der ungebeten in sein Leben greift"). Daher leiden so viele Ostdeutsche genauso an Ostdeutschen, wie Westdeutsche unter "vermeintlich allen Ostdeutschen". So klug und differenziert Maron oft argumentiert, ihre journalistische Sucht nach Genauigkeit lebt von "mentaler Erregung", erst durch sie findet sie die "richtigen Wörter".
Auch die in einem Berliner Kinderheim geborene Helga M. Nowak scheint eine geradezu körperliche Unfähigkeit zur Ein-, geschweige Unterordnung zu haben. Wurzellos und ohne Glauben an Utopien eckte Nowak in jeder Gesellschaft an (DDR, BRD, Portugal, Polen, Island), blieb eine "Vagantin". Ihre Texte, hoch emotional und von "einer wunderbaren Anarchie" lagen niemals im Mainstream. Ob Liebespoesie oder Literatur über die Fließbandarbeit, ob politische Pamphlete oder Verse von zügelloser Leichtigkeit - Helga Nowaks Lyrik wie gesamtes Werk sei ein "Synonym für Meuterei".
Ach, Theater: In Weimar inszenierte Maik Priebe Felicia Zellers Stück "Kaspar Häuser Meer", das sich - ausgehend von dem Schicksal des "kleinen Kevin" - mit dem Dilemma von "Kindswohl und Bürokratie" beschäftigt. Ute Grundmann meint: Bildstark, leidenschaftlich, brillant als Sprachstück inszeniert. Ihr kamen 100 starke Minuten einfach kurz vor.

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