Freitag, 17. September 2010

lvz kultur vom 17.09.10: Krug, Franzen, Plumpsack & Skala

Es brauchte 27 Jahre, bis Werke des1983 gestorbenen Malers und Radierers Karl Krug erstmals für die Öffentlichkeit in einer Ausstellung zu sehen sind. Die Galerie am Sachsenplatz präsentiert 40 Bilder des weitestgehend unbekannten Künstlers, der viele Jahre technischer Leiter der Werkstatt für Radierung und Kupferstich an der HGB war. Rolf Richter stellt den stillen, peniblen, von seinen Studenten gefürchteten und gleichzeitig verehrten Lehrer vor. Sein "kompromissloses Ablehnen von politischer Käuflichkeit in der Kunst" (Michael Morgner) hat den wortkargen Mann zu DDR-Zeiten zum Sonderling werden lassen. Mit der Ausstellung veröffentlicht der Freundeskreis Karl Krug e.V. eine Werkübersicht. Richter, der dem toten Krug gleichwohl Worte von den Lippen lesen kann, meint, der stille Mann hätte zu der doch noch erfolgten "Ehrung" bloß gesagt: "Viel zu viel Gewese", bevor er schalkhaft hinzugefügt hätte: "War doch nicht alles umsonst".
Wenige Tage nach der Ankündigung einer Lesung von Jonathan Franzen im Haus des Buches (14.10.) schreibt Maja Zehrt über dessen jüngst erschienenen Roman "Freiheit". Sie beschreibt Franzen als Meister der leisen Töne und krachenden Explosionen, der sämtliche Gefühlslagen zwischen Komik und Tragik beherrsche. Das Porträt einer missverstandenen, schier katastrophalen Ehe wachse unter Franzens Feder zur Bestandsaufnahme der ideologischen Gräben des Bush-Amerika. Den Begriff der Freiheit, einer Freiheit, die von den Protagonisten eher als Bedrohung denn Chance gesehen würde, sei von ihm im ironischen Sinn gebraucht worden. Das Wort sei in Wahrheit schlicht vergiftet, durch Missbrauch zum Krüppel geworden. Ob die realistische Beschreibung eines (Ehe-)Scheiterns, in all seiner Differenziertheit und Meisterschaft, wirklich eine Ahnung hinterlassen kann, wie entfremdet und unbegreifbar der Selbstbetrug der Menschen in diesem nur scheinbar postideologischen Zeitalter eigentlich funktioniert? Dafür müsste die Unterhaltsamkeit des Werks ein Unbehagen hinterlassen, von dem bei Maja Zehrt an keiner Stelle die Rede ist. Im Gegenteil.
Kaum spielt einer nicht mehr mit, wird er gehänselt und verhöhnt. Friedrich Schirmer, bislang Intendant des Hamburger Schauspielhauses, ergeht es zur Zeit so. Der Plumpsack, fast sämtliche Medien, schüttet nach dessen Rücktritt Häme aus über den angeblich gescheiterten Theaterchef, Intendanten-Kollegen kritisieren das unsolidarische Alleinlassen seiner Mitarbeiter. "Dreh dich nicht um/Wer sich umdreht oder lacht/Kriegt die Hucke vollgekracht". Eben, der Plumpsack geht um und dpa geht mit - mit denen im Strom. Hoffentlich ist Schirmer wenigstens das Lachen nicht vergangen.
Nach den "Räubern" und "Vatermord" kündigt Nina May die Skala-Inszenierung "Deutschland tanzt nicht" an. Mirko Borscht, der immer noch mit dem Theater zu fremdeln vorgibt, bringe bisher krasse, alptraumhafte Bilder auf die Bühne, "Wie im Drogenrausch", so zitiert May den Regisseur. Doch jetzt habe er die Notwendigkeit gesehen, sich weiterzuentwickeln. Wow. Und irgendwie scheint er den Zugang zu seinem gesetzten "großen Thema", dem Spielzeitmotto "Deutschland", dann doch gefunden zu haben. Es gehe in seinem Stück um den Minderwertigkeitskomplex und die Verklemmtheit der Deutschen. Dazu passt, dass gestern eine - bestimmt amerikanische - Untersuchung ergeben habe, dass Frauen Männer ganz brutal nach ihrem tänzerischen Vermögen beurteilten und auswählten. Da kann mann sich ja nur verkrampft an die Theke flüchten, klar. Naja, Borscht meint es aber doch nicht so. Alles sei nur eine Metapher. Wofür nur?

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