Dienstag, 14. September 2010

lvz kultur vom 14.09.10: Neuer Chef de Ballet Leipzig, die Schumanns & Louise Bourgeois

Mit Mario Schröder tritt ein Chef als neuer Direktor des Leipziger Ballettensembles an, der die Liebe zum Ensemble mit dem Feuer für die Inhalte, die Premieren verbinde, schreibt Tobias Wolff. Im Zentrum der kommenden Spielzeit stünden die Biografien von Jim Morrison und Charlie Chaplin. Leitmotive für seine neue Tätigkeit seien die Begriffe "Erleben, Fliegen, Bewegen". Der "Teamworker" war früher Solotänzer im Leipziger Ballett, bevor er außerhalb Leipzigs selbst zum Choreografen wurde. Anders als Paul Chalmer, der das Erbe des verstorbenen Uwe Scholz mehr bewahren als erneuern sollte, will Mario Schröder beginnen, Fragen zu stellen, mit Scholz in eigenständige Kommunikation treten. Das heißt aber auch, das Ballett dreht sich weiterhin um ein Gravitationszentrum, das eher einem "Black Hole", einem Schwarzen Loch, ähnelt, das unentrinnbar die Bahnen der Tänzer bestimmen wird. Vielleicht interessanter als diese Tatsache ist, dass der neue Ballettchef zwar neues, insbesondere junges, Publikum generieren will, wie jeder neue Chef jedes neuen Ensembles, aber sein Vorhaben, "authentisch zu bleiben" doch mit dem erklärten Willen, "Emotionen zu erzeugen" kollidieren wird. Kunst, die etwas bewirken will, überwältigen will, spielt sich in althergebrachter Weise als Kunstleithammel auf, die statt Fragen doch eher Antworten im Gepäck hat.
Eine schon durch die Beschreibung Olivia Schreiers faszinierende Annäherung an die Musiker Robert und Clara Schumann war augenscheinlich die unter den romantisierenden Titel "Blütenmond" gestellte Veranstaltung zum 170. Hochzeitstag des Paares im Zweinaundorfer Park und - abends - im Werk II. Romantische Lieder durch den Kammerchor encore, ein Hornquartett, eine Installation Erwin Staches, eine Choreografie von Yoshiko Waki und Marlen Schumann (!) und ein Streichquartett wurden open air auf dem Gelände des Guts Mölkau dargeboten, Zuhörer teils in Heuballen unter einer Eiche liegend. Von dem Ort, an dem die Schumanns ihren Hochzeits"nachmittag" verlebten, ging es per Rad zur Traukirche, wo das Leipziger Vokalconsort spielte und Briefe gelesen wurden. Abends, im Werk II, ging die Veranstaltung mit dem Tanztheater "Blütenmond - Der Unvollendenich" der Company Bodytalk aus Bonn weiter, die zu Musik von Led Zeppelin Clara Schumann zwischen ihrem Mann Robert und dem "Dritten", dem Freund Johannes Brahms, zeigt, sowie das qualvolle Ende Robert Schumanns in der Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich. Mit Videosequenzen von Alexandra Czok aus dem Gut Mölkau schließt sich der Bogen wieder zum Beginn.
Die Kunstsammlungen Jena zeigen das Werk der Bildhauerin und Zeichnerin Louise Bourgeois, Meinhard Michael berichtet von der Ausstellung dieser "Legende der Moderne", die der Markt sehr spät zu den teuersten Künstlern überhaupt "katapultierte". Sie habe, insbesondere in ihren "semi-abstrakten" Zeichnungen, "dem Gefühl für den eigenen Körper zeichnerischen Ausdruck" gegeben. Darin sei sie "grandios" gewesen, "weil die Unvollkommenheit ganz und gar ehrlich, leibhaftig, erfühlt und wahr klingt." Klingt eher fast zu klischeehaft auf Topoi herkömmlicher weiblicher Rollenzuschreibungen hin konstruiert, auch, wenn man den stammelnden Duktus Michaels liest, mit dem er seinen Bericht enden lässt: "Mit immer wieder betasteten, ergänzten Linien (...) zittern sich Bilder zusammen. Leiber, Hände, Organe, suchend, stützend, bittend, in Freude. (...) Auch wenn es nur Kerne, Zellen, Blätter sind, (...) - mehr braucht sie nicht." Geht mir ähnlich.

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