Freitag, 11. März 2011

lvz kultur vom 11.3.11: Chaos unter der Oberfläche. Louisan. Geiger. Schweighöfer.

Heute veröffentlicht Annett Louisan ihr neues Album „In meiner Mitte“ und gibt zugleich ein Konzert im Gewandhaus. Aus diesem Anlass gibt sie der lvz redakteurin Insa van den Berg ein biografisch anekdotisches und gut lesbares Interview. Diesmal interessiert sich van den Berg für die Person, weniger für die Texte Louisans und das, was möglicherweise nicht drin steht. Aber sie interessiert sich eben. Natürlich bestimmt die Musik Louisans Antworten auf die Frage nach Privatem. Ob es die Auswahl eines Wunsch-Duopartners ist (gerne David Bowie, Tom Waits oder Gisbert zu Knyphausen), bei der sie doch die Stimmen entscheiden lassen würde, ob man zusammen passe, oder ihr ganz besonderes Merkmal, das Mädchenhafte, das sie auf der Bühne liebe, selbst wenn es ihr im Privaten vieles schwerer mache (müsse sie aber in Kauf nehmen, wenn es sie andererseits eben glücklich mache) oder auch die Arbeit an „In meiner Mitte“ in Klaus Hoffmanns Studio auf einem Bauernhof bei Lüneburg, das sie an manches aus ihrer ländlichen Kindheit erinnerte. Das Musikmachen dort „war so ein richtiges Hippiegefühl“, viel Live-Eingespieltes, das mit dem Charme des Unzulänglichen, Unbearbeiteten überzeugt. Zuerst mal sie selbst. Die Songs stehen ohnehin „an erster Stelle.“ Über sich selbst denkt das „Mädchen mit dem Puppengesicht“, dass ihr von den Märchenfiguren eher Rumpelstilzchen als Schneewittchen nahekomme.

Janosch, schreibt Jürgen Kleindienst auf Grundlage eines dpa-Artikels, habe in seinen über 300 Kindergeschichten „einen Gegenentwurf“ zu seiner Kindheit geschaffen, deren „erste Jahre die totale Zerstörung meiner Person waren.“ Daraus erklärt er sich seine soziale Phobie, die ihn vor großen Menschenmengen befällt. Mit der Tigerentenbande hat Janosch nicht mehr viel am Hut, er hat sich mit seiner Partnerin nach Teneriffa zurückgezogen, will nur noch reisen und in der Hängematte liegen. „Was jetzt kommt, ist Urlaub!“ sagt Janosch abschließend. Glückwunsch zum 80.

Janina Fleischer schreibt über Arno Geigers neues Buch „Der alte König in seinem Exil“. Es handelt von der Krankheit Demenz und seinem Vater, der daran erkrankte. Das wesentlich (auto-)biografische, mitunter fiktionale, aber immer wieder auch dokumentarische Werk lasse sich in keine Schublade stecken. Zu spät habe Geiger übrigens erkannt, dass er den Vater zu Unrecht kritisiert habe, damals schon Erscheinungen der Krankheit gemeint, aber mit der Person geschimpft hätte (Etwa beim empfundenen Desinteresse des Vaters an ihm). Das Buch dokumentiere Dialoge, die keiner objektiven Wahrheit mehr entsprächen, sondern einer Privatlogik folgen, zeigt den Blick für den Verlust, der mit der Krankheit einhergeht und dennoch davon absieht, seinem Vater in Gesprächen eine Welt aufzuzwingen, die nicht mehr dessen sei. Gedanken über die Unterschiede zwischen Gesunden und Kranken kann Geiger nur mehr nüchtern betrachten. So billige er den Gesunden noch eine größere Fähigkeit zu, das Chaos unter der Oberfläche zu kaschieren, denn die Ordnung im Kopf selbst sei nur eine Fiktion des Verstandes, aber mehr auch nicht. Sein Buch bittet den Vater um Vergebung und ist möglicherweise doch zu nah dran an seinem Gegenstand, denn in seinem Buch „zersplittert am Ende doch, was ein großer Wurf hätte werden können.“

Rundum glücklich war Nina May mit der Inszenierung der Leipziger Schauspielschulstudenten „I Hired a Contract Killer“ in der Regie von Michael Schweighöfer. Poetisch und ungemein athmosphärisch sei die Umsetzung des Film geworden, Aki Kaurismäkis Kameraführung setze er „etwas Eigenes entgegen (die über den Dingen schwebende Pierrot-Figur als Erzähler) und „treffe ins Schwarze.“ Die Schauspielstudenten machten „eine rasante Show mit Musikeinlagen“, ohne auf Witz und Slapstick zu verzichten. „Fazit: sehr unterhaltsame eineinhalb Stunden, ein Besuch lohnt sich.“

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