Dienstag, 1. März 2011

lvz kultur vom 1.3.11: Hände weg von der Kultur! Oscars. Biederbeck. Neumann.

Back again;) Leicht beleidigt, dass die Jury seinen doch so leicht nachvollziehbaren Wertungen nicht folgte, beginnt Norbert Wehrstedt seine Oscarberichterstattung mit dem an sich sympathischen Bild der schielenden Beutelratte. Die habe immerhin zwei von drei Oscars richtig geraten. Die hauptamtliche Jury (Film-Akademie) lag erheblich stärker daneben. Wie das Leipziger Knuddeltier genannt wird, tut nichts zur Sache, peinlich genug ist die eher unkomische und zeilenschinderische Mithilfe an der tätigen Verbreiung lebender (lesender?) Gehirne, der Schwesterkrankheit des Rinderwahnsinns, durch Junhold, Hilder etc. allerdings. Dass noch keine Krankenkasse aktive Therapien gegen Bild, hin und wieder lvz und co. unterstützen, ist kein Gegenargument. Wenn die Krakennachfolge auch so schnell nach dem Endspiel die Löffel abgibt wie Paul, hat Hildi - oder wie das Opapossum heißt - jedenfalls nicht mehr lange zu röcheln.

Also, Wehrstedt gibt indigniert bekannt, dass „The King's Speech“ (Bester Film, Hauptdarsteller etc.trotz „filmischer Hausmannskost“), „The Social Network“ („bestes Hörspiel des Jahres“) und ein bisschen auch „Inception“ (Technik-Oscars, aber nur, weil die Jury den Film „nicht begreift“), „Black Swan“ (Hauptdarstellerin) und „The Fighter“ (Nebendarsteller) gewonnen haben. Alles mehr oder weniger gut und schön. Der Untergang des Abendlandes ist halt, dass „True Grit“ von den Coen-Brüdern keine einzige Auszeichnung erhalten habe, obwohl es doch „das filmische Ereignis des Jahres, wirkliches Bilder-Kino“ sei und außerdem nw es doch schon hinlänglich und eindringlich gesagt hatte, niemand aber höre auf ihn etc.pp.
Dass nw die Nationenwertung im Oscarranking einführen möchte („klarer Sieg der Briten“), ist noch seinem anfänglichen Furor über die Fehlurteile samt seinem Amibashing geschuldet, das sich erst die Filme selbst, dann die Bewertung und schließlich die prüden Zensoren vornimmt. Ist aber auch vertrackt, der leicht zeitversetzten „Fast-Live“-Sendung ist doch tatsächlich das einzige „Fuck“ auf der Bühne (Melissa Leo) zum Opfer gefallen. Wehrstedt allerdings mag in seiner meinungsfreudigen, dafür umso bodenständigeren Herablassung nicht mal *piep sagen.

Es hätte ein interessanter Artikel werden können. Terrakotta-Reliefs eines späten Quereinsteigers in die (bildende) Kunst, gefertigt nach Fotografien zu zeitgeschichtlichen Sujets, angefertigt aus einem Baumarktmaterial, für das sich der Künstler selbst „mit leiser Verachtung“ strafte. „Unmodern“ also, wie Christine Dorothea Hölzig schreibt, seien Karl-Heinz Biederbecks Objekte in der Leipziger Galerie Kontrapost scheinbar. Aber nein, ein Trugschluss, dem sei doch nicht so. Klar. Nur warum, das sagt Frau Hölzig nicht, die Aufzählung seiner verwendeten Materialien reicht da nicht und auch nicht der Hinweis auf „Räumlichkeit“, „Tiefe“, „Perspektive“, „Beleuchtung“ und „erzählerische Details“. Weder erfährt man etwas über die konkrete Anwendung oder Verwendung der genannten Kategorien noch über die Sujets selbst und deren gedankliche Durchdringung oder künstlerische Veränderung, die sie über die Umformung erfahren. Dass sie „auf ungewöhnliche Weise zum Nachdenken“ einladen, reicht nicht, Frau Hölzig. Für Biederbecks Kunst vielleicht. Aber nicht für die Beschreibung dieser Kunst!

Nina May beklagt in „ausgepresst“, dass sie gestern in der schlechtesten der Welten aufgewacht sei, das böse Facebook habe sie doch tatsächlich dazu aufgefordert, ein „Update“ aufzurufen von jemandem, der zufällig bereits tot sei. Und das, obwohl sie nichts weiter als ihre Mails checken wollte. Jaja, die moderne (Technik und Wirtschaft-)Welt geht über Leichen. Ob das gar ein Zeichen für moralische Verkommenheit darstellt? May graust es nun geradezu vor ihrem Ableben. So virtuell, als „nie endende Aktualisierung von Statusmeldungen“, hat sie sich die eigene Unsterblichkeit nicht vorgestellt.

In einem langen Interview, das Jürgen Kleindienst und Peter Korfmacher mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann führten, hat Neumann eine lange Erfolgsliste seines nun schon fünfjährigen Wirkens aufgestellt. Insbesondere der Deutsche Filmförderfonds sei der Hit, dank seiner brumme das Kinogeschäft geradezu. Das sei nicht zuletzt ihm zu verdanken, sagte der bescheiden „im Hintergrund“ agierende Minister. Kernthemen der kommenden Zeit seien „der Schutz des geistigen Eigentums in der digitalen Welt“ sowie die „kulturelle Bildung“. Theater dürften nicht geschlossen werden, seien vielmehr unverzichtbar „für uns als Kulturnation“, zumal in einer Zeit „der Globalisierung und zunehmenden Orientierungslosigkeit“. Die Städte und Länder, die vor gravierenden Finanzproblemen stünden, sollten sich ein Beispiel an ihm selber nehmen, schließlich habe er es geschafft, im Bund seinen Etat als einziger nicht unter Sparkurs stellen zu lassen, sondern sogar („zum sechsten Mal in Folge“) erhöht zu bekommen. „Hände weg von der Kultur!“ ist Neumanns Schlachtruf zum Sonntag, die Kultur mache die Hauptattraktion der Städte und Regionen aus.
Ach ja, und Karneval ist auch bald.

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