Freitag, 4. März 2011

lvz kultur vom 4.3.11: Arisches Bienenvolk aufgefunden. Minogue. LE Visions. Reimann.

Popinstanz Ralf Donis nimmt sich ein Beispiel an Kylie Minogue. Wie kann ich es allen recht machen und doch meinen eigenen Stil pflegen. In seinem vorab-Artikel zu Minogues Auftritt in der Leipziger Arena stellt er das Phänomen M. dar. In einem atemlos wirkenden Artikel ohne Brüche, Pausen, Rhythmuswechseln schwelgt er in seinem immensen Wissen, seiner eindrucksvollen Beurteilungsfähigkeit, seinen manierierten Substantivballungen („Euphorie-Plastikpop-Dreamteam“, Pseudopathos-freie Madonna-Loipe“, "Taktstraßen-Dancepop“, „Musikurbarmachung“, „Grabhymnen-Gesang“, „Gesamtliedersammlung“ etc.pp), eigentlich seiner Unantastbarkeit. Kein riskanter Gedanke, leider auch kein einprägsames Sprachbild, auch wenig von dem Witz, der ihn live auszeichnet. Ein majestätisch vor sich hin mäandernder Fluß voller Kleinstlebewesen und Düngemitteleinträgen. Dass er es schafft, auch demjenigen einen lebendigen Eindruck der „Floor-Chanteuse“ zu vermitteln, der immer gerade etwas anderes zu tun hatte, sobald Minogues Songs aufgelegt wurden, ist viel. Dass am Ende doch nur ein unbestimmtes Faszinosum übrigbleibt, allerdings nicht genug. Mindestens etwas mehr über die selbst geschriebenen Songs hätte ich gerne erfahren.

Die letzte Vision war die eines Abgrunds. Wegen der immer größeren Risiken der Unterkapitalisierung muss Leipzig größte unabhängige Filmproduktionsfirma LE Visions aufgeben. In seinem Artikel, der auf einem Gespräch mit der geschäftsführenden Gesellschafterin Simone Baumann beruht, beschreibt Norbert Wehrstedt die für die Zulieferindustrie immer ruinöser werdende Praxis der Fernsehsender, sämtliche Risiken auf die Produktionsfirmen abzuwälzen – oder gleich ganze Aufträge einzusparen. Dass ausgerechnet die großen Firmen ganz planvoll Verträge nicht unterschreiben, Fristen über und über ausreizen, Kosten nicht begleichen, sorgt für die Auszehrung des Mittelstands bis zu deren Insolvenz. Die Gewinnspanne von LE Visions sank von sieben bis zehn Prozent auf zwei bis drei. Da nützen auch keine Quoten, Auszeichnungen und Qualitätsprodukte. „In der Zukunft blieben aus Baumanns Sicht nur die großen Produktionsfirmen mit etwas Kapital im Rücken und ein paar Rucksack-Produzenten.“

Erfolgreiche Komponisten neuer Musik und Opern sind eine rare Spezies. Wenigen fiele überhaupt ein Name ein. Cage, Zimmermann und Henze gelten bereits als bekannt. Auch Aribert Reimann, dessen 75. Geburtstag die lvz durch Gerald Felber würdigt, gehört dazu. Sein „Lear“ bringt es seit seiner Uraufführung 1978 auf beinahe eine Inszenierung jährlich. Das ist schon viel. Und traurig für die Opernwelt, die lieber weiterhin „Erkennen Sie die Melodie“ aufführt. Felber charakterisiert Reimanns Stil als „zurück zur Strenge und, wenn man so will, Verantwortlichkeit“, Reimann wollte „den Hörer ausliefern, keine Flucht ins Beliebige zulassen.“ In seinen Kompositionen „fokussierte Reimann auf die dunklen Seiten des Menschseins, ohne doch larmoyanter Krisen-Komponist zu sein.“ Er konnte sich die Unabhängigkeit leisten, weil er gleichzeitig ein gefragter Pianist war, Dietrich Fischer-Dieskau etwa legte großen Wert auf seine Begleitung. In wenigen Wochen wird Reimann der Siemens-Musikpreis verliehen.

Der Schöpfer der Biene Maja, Waldemar Bonsels, war Antisemit. Darauf deuten zahlreiche Dokumente hin. Gerade wird sich erstmals auf einer Tagung der Bonsels-Stiftung systematisch u.a. mit den Nazivorwürfen gegen den Autor beschäftigt. Wie Britta Schultejans schreibt, vermutete Bonsels noch im Nachkriegsdeutschland hinter Diskussionen zu seinem möglichen Antisemitismus „eine jüdische Verschwörung“. Laut Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität München sei die Biene Maja „jedoch weitgehend unproblematisch“. Nur im finalen Kampf zwischen Bienen und Hornissen“ deute sich eine völkische Komponente im Sinne des Kaiserreichs an. Die Biene Maja wurde 1912 erstmals veröffentlicht. In ihr tauchte etwa der „faule Willi“ noch nicht einmal auf, er war eine Erfindung der Trickfilmserie aus den Siebzigern.

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