Dienstag, 1. Februar 2011

lvz kultur vom 1.2.11: Babysuite und Hamletmaschine. Die Prinzen. Tukur. Theater Pack.

Die Prinzen feiern Geburtstag. Den 20sten. Die Band - Ein Wendekind. Im Interview mit Mark Daniel, zu dem sich alle sieben gemeinsam vor dem Mikro zusammenfinden, hat die Geschichte der Prinzen allerdings so gut wie garnichts mit der politischen Revolution vor ihrer Geburt zu tun, weder der von unten in der DDR, noch der von oben im schließlich vereinten Deutschland.

Das Interview besteht aus Stichworten, die jeweils einem der Prinzen zugelost werden. Die Kurzstatements zu den Begriffen geben dabei eher wenig her. Die Stichworte:
Ostalgie, Kritiker, 20 Jahre Prinzen, Graue/wenig Haare, Die Prinzen im Jahr 2031, Guido Westerwelle, Verlogenheit des Showgewerbes, Sarrazin, Annette Humpe, Unvergessliches Erlebnis, Fehler, Leipzig, Lieblings-Prinzensong und warum, Herzinfarkt, Erfolgsdruck, Alter, Umgang mit Bandkrisen, Ruhm, Kapitalismus, Groupies, Thomaner, Karriereende, Tourstress, Solo- und Nebenprojekte, Politisches Engagement, Eitelkeit, Anspruch, Eigene Helden.
Die 28 Stichworte sagen zuallererst etwas darüber aus, was Daniel mit den Prinzen verbindet. Und das klingt eher nach Vergangenheit. Die Prinzen lieben ihre Vergangenheit, ein wenig auch ihre Gegenwart und hoffen auf die Zukunft. Lebendig und leidenschaftlich werden manche beim Namen Annette Humpe („Ewig dankbar“), bei Leipzig („An Leipzig kommt nichts ran“), bei AC/DC (da hat's mich mit 13 gepackt“) und beim Verdrängen des Alters („so viel zu tun, dass ich nicht drüber nachdenken kann“) – aber auch bei Sarrazin (verantwortungslos“), dem sie sich verweigern möchten. Der Rest ist wenig interessant.

Ulrich Tukur und Rhythmus Boys haben im Gewandhaus einen Abend voller Klamauk gegeben. Besonders „Tausendsassa“ Tukur wird für lvz redakteur Thomas Düll zur „Lichtgestalt“. Kabarettistische Einlagen, „kulturell wertvolle“ Gitarrensoli und „krampfartige Lachanfälle“ beim Publikum dienen einem Querschnitt durch die Tanzmusik Europas der 20er bis 40er Jahre. Frontmann Tukurs „mitreißende Vielseitigkeit“ wird über den Klee gelobt, die Rhythmus Boys dürfen sich ihr Geld verdienen. Voll war das Konzert aber nicht.

Peter Korfmacher schreibt in „ausgepresst“ über das Ende des Humors. Der tritt bei Mario Barth zum Beispiel ein, wenn ein älterer Witz, den er sich als Wortmarke hat schützen lassen, auf ein T-Shirt gebannt wird (kostet 1.700 Euro). Zum Beispiel. Selbst als Muster auf Tapeten oder „Schnellkochtöpfe“ darf „Nichts reimt sich auf Uschi“ noch gedruckt werden. Und das, obwohl es lange vor Barth ganze Programme unter dem Titel gab. Und Barth den Witz schlicht geklaut hat. Selbst der Urheber, sofern man ihm habhaft würde, ob Kalkofe, Wischmeyer oder Welke, zahlen müssen künftig alle. Achtung! Kein Barth mit Witz!

„Clavigo“ vom Theater Pack hat vor 60 Zuschauern in der naTo Premiere gefeiert. Unter dem Titel „Die Leiden der jungen Marie“ schreibt Jennifer Hochhaus einen sichtlich beeindruckten Premierenbericht. Clavigo ist ein Antiheld, einer, der selbst Fehler begeht, der die Liebe zugunsten der Karriere verrät. Bei Goethe. Schletter reduziert auf das Wesentliche – und gewinnt. Bei ihm geht es um die Frauen. „Genauer gesagt: um eine Frau und ihre Entscheidung für oder gegen das Vertrauen in die Liebe.“ Marie, Clavigos Geliebte, wird zur Hauptperson. Ihr Kummer, ihr Abwägen zwischen Vernunft und Gefühl, ihr Liebesglück, ihr hysterisches Flehen - alle Facetten macht sich Ina Isringhaus „zu Eigen“, werden ihr abgenommen. „Tragisch, schmerzhaft und wunderbar herzzerreißend.“

Das Mendelssohn Kammerorchester hat unter dem lockenden Titel „Wunder und Kinder“ eines ihrer Konzerte für Neugierige gehalten – und Kinder eingeladen. Zum Zuhören, zum Toben, zum Mitspielen. Nicht aus Effekthascherei. Die Mendelssohns glauben daran. Und das ist dem Konzert und der Kritik von Anja Jaskowski anzumerken. Ob beim israelischen Komponisten André Hajdu („Konzert für 10 kleine Pianisten“), bei Erich Wolfgang Korngold („Babysuite“) oder Mendelssohn-Bartholdy („Trompeten-Ouvertüre“) - eines der großen Plus dieses Orchesters ist, dass sie ihre Konzerte mindestens in Ansätzen inszenieren. Und dadurch einem jungen Publikum beginnen, die Scheu und Langeweile zu nehmen vor dem antiquierten, feierlich-steifen Erscheinungsbild eines typischen Sinfonieorchesters. Dirigent Aurélien Bello habe zudem alles „bestens zusammengehalten“, schreibt Jaskowski.Glückwunsch!

Steffen Georgi hält Heiner Müllers „Hamletmaschine“ für den „letzten wirklich großen deutschen Drama-Text.“ Ein Schlusspunkt, der gleichwohl neue Spielräume öffnen wollte. Müller verhandelte Utopien und deren Frontverlauf zur Geschichte; doch er wusste, dass „die Gegenwart weder Resonanzraum noch Reibungsfläche“ böte für einen solchen Text. „Ein stotterndes Stück Menschenschrott“, Hamlet, begegnet der bandagierten Ophelia. Und dann wird gesprochen. In der Inszenierung von David Perlbach im Spinnwerk entschieden zu viel. Weil die Darsteller den Text sprachtechnisch nicht tragen können, weil die Inszenierung damit überfrachtet wird, und weil „inszenatorische Einfälle rar“ seien. Dazu kommen zusätzlich eingefügte Texte, die für Georgi dramaturgisch nicht einmal Sinn machen. Ergo: „Weniger Worte konzentrierter nachlauschen, beim Verhallen im Vakuum.“

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