Dienstag, 15. Februar 2011

lvz kultur vom 15.2.11: Augen zu und lächeln. Alfred Brendel. Grammys. Belafonte.

Alfred Brendels Finger laufen nicht mehr über die Tasten des Konzertflügels, sie blättern in den Seiten eines Buches. „Seines Buches“, wie Charlotte Schrimpf in ihrem Artikel schreibt. Und wie sie es schreibt. Mit federleichten Bemerkungen und rhythmisch fließenden Satzmelodien, die fast an Brendels seinerzeitige Töne auf dem Klavier erinnern. Leider betreibt die Schrimpf mit ihren feuilletonistischen Phrasen mitunter auch Etikettenschwindel. Denn was Brendels Part betrifft, bleibt es tatsächlich beim Etikett. Zum Inhalt der Texte, die er vorträgt, nur soviel, dass man kaum etwas wirklich verstehen kann. Was bedeutet es denn, wenn darüber „gekichert wird“, dass Brendel erzähle, „wie Mozart von Beethoven ermordet worden“ sei, „weil Beethoven ein Neger war und Mozart davon gewusst hat.“ Ob man dies als feine Ironie des „Überpianisten und Malers, des Essayisten, Dichters und Komponisten“ begreifen solle, bleibt ungewiss. Auch von Brendels Geschichte über „über das Gegenteil des Gegenteils“erfährt der Leser nicht mehr als den Titel. Dafür hat das Szymanowski-Quartett so lange phantastisch gespielt, bis Alfred Brendel die Augen schließt und lächelt.

Die diesjährige Grammy-Vergabe war wieder berüchtigt unkalkulierbar. Ein Country-Trio gewann für ihren Song „Need You Now“ fünf Grammys (darunter bester Song: Lady Antebellum), Lady Gaga („u.a. Brecht erhielt drei, Eminem konnte mit zwei Grammys fast schon zufrieden sein. Dabei hatte er sich um 10 Grammys beworben. In Wirklichkeit war es für ihn ein Schock, nur zweimal im Winterprogramm ausgewählt worden zu sein. Immerhin ein Grammy, der der für klassische Musik, geht nach Berlin.

Norbert Wehrstedt holt auf der diesjährigen Berlinale sein Schlafdefizit auf. So langweilig wie heuer waren Filme selten. „Coriolanus“ schafft es, die Geschichte um den römischen Feldherrn so unfreiwillig komisch zu gestalten, dass es den Filmkritiker der lvz tatsächlich an verfilmtes Theater erinnert. „Bisschen wenig“, findet er. Alexander Mindadzes Film „An einem Sonnabend!“, der sich um den Tag dreht, an dem Tschernobyl in die Luft fliegt, „trat 99 Minuten lang vor allem auf der Stzelle.“ Der Französische Beitrag „Die Frauen aus der 6. Etage“hat Wehrstedt mehr überzeugt: „Endlich mal wieder richtiges Kino.“ Diesmal nicht „außer Konkurrenz“ lief ein „amüsanter und unterhaltsamer“ Film namens „Letzte Etage links“. Eine soziale Lehrgeschichte ist das, „sehr handfest. Sehr humorvoll.“ Chen Kaige, „Meister des chinesischen Filmopus“ malt in „Sacrifice“ „wieder prächtige Bilder“, bei der Kostümprozedur helfen dessen „erstklassigen Kampfchoreographien.“.

Maja Zehrt hat auf der Berlinale eine Doku über Harry Belafonte gesehen, doch der will bei dem Filmprojekt „über Armut und Rassismus“ hurtig noch manche Leute nach Leipzig karren. Eine Erzählrunde macht deutlich, wie lange Harry Belafonte sich bereits als Sänger, Tänzer und Menschenrechtsaktivist politisch einmischt. Er marschierte mit Martin Luther Kings nach Washington und besorgte John F. Kennedy Stimmen der Schwarzen. Auch heute mischt sich Harry ein, beeinflusst Barack Obama und fängt an, sich zu schagen.

Eine angekündigte Ausstellung Ai WeiWeis wurde vom Künstler abgesagt, nachdem ihm von Seiten der chinesischen Zensur mitgeteilt wurde, dass sie im vorgesehenen Zeitraum im März wegen „der laufenden Jahrestagung des Volkskongresses“ nicht abgehalten werden könne. Daraufhin sagte Ai Weiwei die Schau gleich ab. „Es ist sinnlos“, meint der Regimekritiker.

Rainald Grebe erobert nach dem Centraltheater nun auch das Gewandhaus. Allerdings finden sich sogar manche Songs seiner Produktion „WildeWeiteWeltSchau“ im Gewandhaus wieder. Seine etwas hektische Überfülle an Ideen ist dabei nicht mal allen Recht. Jürgen Kleindienst schreibt von der Verwirrung, die „aus der Überfülle seiner neuen Ideen“ resultierten. „Langjährige Grebe-Fans werden angesichts eines solche zirzensischen Klimbims nostalgisch. Theatralische und musikalische Erweiterung haben Intensität, Poesie und Schärfe nicht immer gutgetan.“ Kleindienst schließt mit der Bemerkung: „'Es ist gut', heißt das Schlüssellied nach drei ereignisreichen Stunden inklusive Pause. Es ist ein älterer, intimer Titel, und er ist wirklich gut.“

Einen Comic-Kurs für Erwachsene bietet in den Winterferien die Galerie für zeitgenössische Kunst. Anregungen holen sich die Teilnehmer bei der diesjährigen Sammlungs-Ausstellung Puzzle.

Elfriede Jelineks Stück „Rechnitz“ über ein Nazi-Massaker an 180 Juden wurde in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele in Israel aufgeführt.Erschütterung, Gänsehaut und Atemlosigkeit registrierte Hannes Vollmuthz im Zuschauerraum, „viele Sätze überschreiten fast die Grenze des Erträglichen.“

In einer Presseschau zu „Pension Schöller“ am Centraltheater und „Deutsches Miserere“ von Brecht/Dessau an der Oper Leipzig sammeln Nina May und nvm Besprechungen überregionaler Zeitungen. Während „Pension Schöller“ von der Chemnitzer Freien Presse nur in der zweiten Hälfte die „Abgründigkeiten, Szenen von funkelndem Witz und inspiriertes selbstreflexives Theatermachertheater“ erkennen ließ, während die MZ die Leipziger Fassung mit des Hallenser Neuen Theaters verglich. Es erscheine zwar viel zu groß, aber sei zuallererst „burleskes, intelligentes Spiel“.Die Frankfurter Rundschau zeigte sich begeistert, nachtkritik.de ebenfalls.

Das Deutsche Miserere kommt nich so gut weg. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fand das Stück gleich „unfassbar“ und „entsetzlich“ und postuliert: „Nie wieder nach Leipzig.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete es als „verantwortungslos“ und „wohlfeiles Empörungstheater“. Der Tagesspiegel hatte Dietrich Hilsdorf, den „Virtuosen der differenzierten Personenregie“, bei dessen Ausbau zur „expressionistischen Revue“ auf der Bühne zugesehen.

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