Samstag, 5. Februar 2011

lvz kultur vom 5.2.11: Zwischen Partyhütchen und Wischmob. Lena. Krystallpalast. Hilbig.

Gegen die Katholische Kirche ist Hosni Mubarak ein Jungfossil. Versteinert sind sie beide. Parallel zu den Massendemonstrationen in Ägypten gibt es in der Kirche nun einen an Aufruhr erinnernden theologischen Massenprotest. „Die Kirche muss die Zeichen verstehen und selbst aus verknöcherten Strukturen ausziehen, um neue Lebenskraft und Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen“, schreiben 144 katholische Theologieprofessoren in einem Memorandum. Sie protestieren gegen das Zölibat, die erzwungene Ehelosigkeit der Priester, und auch gegen das Verbot weiblicher Priester.

Man darf gespannt sein, ob das orthodoxe Vatikan statt mit Steinen, Gewehren und Schlagstöcken nun mit fürsorglichen Gesprächen und Exkommunikationen auf den Protest reagieren wird oder ob sie bis zum Besuch des Papstes in Deutschland schweigen werden.

Lena Meyer-Landrut gewährte Imre Grimm ein gar nicht mal kurzes Interview. Ob es nun gehalten worden wäre oder nicht, den Unterschied können wohl nur die Erbsenzähler der veröffentlichten Peinlichkeiten ermessen. Der investigative Teil des Interviews endet bei der Frage nach einem Stimmtraining. Ja, schon, meint Lena, bisschen Unterricht, was Stimmeaufwärmen und Abklingenlassen betrifft, hätte sie, aber „bloß leider nicht so viel Bock“ darauf. Lena verweist gefühlte siebzehnmal darauf, dass sie sich – anders als Britney Spears - schließlich weiterentwickle, älter, reifer werde. Das wirkt sich zwar nicht erkennbar aus. Also muss sie noch einen Grund zum Älterwerden nachschieben: Sie hätte ebenso „einfach keinen Bock darauf, jahrelang 18 zu sein“. Deshalb hat sie nun beschlossen, 20 zu werden. Das übrigens auch, weil sie Geburtstage „immer toll finde“, ja, „ich liebe Geburtstage über alles, wirklich“. Auch in Oslo mussten schon alle Leute an ihrem Geburtstag Partyhütchen tragen, das war einfach geil. Ansonsten muss Lena aufpassen, dass Stefan Raab sie künftig nicht an Kehrblech und Wischmob fesselt, denn Lena gibt zu, dass ihr während der Hausarbeit „eine Melodie eingefallen sei und sie sich daraufhin irgendwelche Worthülsen überlegt habe.“ Die hat sie sogleich auf ihr iPhone aufgenommen, hat in einem Akt schieren Wagemuts ihren „inneren Schweinehund überwunden“ und das Lied Stefan Raab vorgespielt. Nun will sie weitermachen mit dem Liederschreiben. Das haben wir nun davon. Eine Hoffnung: Vielleicht muss sie ja noch nebenbei putzen gehen.
Herzlichen Glückwunsch, Frau Grimm, zum Zeilenhonorar!

Tatjana Böhmer-Meine hat ein Großes Concert im Gewandhaus erlebt, und einen „angenehm kurzweiligen“ und zugleich „angenehm fassbaren“ Abend erlebt. Die Musik von Schönberg, Strauss und Mendelssohn hätte sie unter dem Stichwort ‚Traum, Nacht, Tod, Todessehnsucht, Verklärung, Romantisch und postromantisch gesehen und gedeutet. Dirigent Sinaisky trug „glücklicherweise“ nicht „zu dick“ auf, er habe vielmehr „Opulenz ohne Lärm“ erlebt, danach klingt nun das Intro im Theaterhaus „gediegen und gesetzt“.

Spiegel TV ist auf dem besten Weg, die Geschmacklosigkeit des Jahres in den eigenen Reihen zu halten. Es geht um den fleischlosen Führer, dessen Reizdarm, vegetarische Essgewohnheiten und Blähungen Adolf Hitlers, die einfach nicht verschwänden. Jürgen Kleindienst wollte fast schon einen Diätplan nach neusten Errungenschaften für die heutigen Stars und Sternchen kreieren. Bis jkl noch mit halbem Ohr am Fernseher hängend die Schlussspointe mitbekam, dass nach dem vegetarischen Mahl „die Inkarnation des Bösen sich ohne Reue eine Kugel in den Kopf geschossen habe.“ Also lieber doch noch mal abwarten, Nicht, dass der lvz die Promis ausgehen!

Das Krystallpalast Varieté hat nach dem Vorbild der Zaubershow nun ein Konzertvarieté voller singenden, klingender Varietékünstler engagiert. Bernd Locker beurteilt den musikalischen Part als „ganz anständig“, immerhin sei „das Gewandhaus gleich um die Ecke.“ Der Rest, insbesondere „das Szenische, klappert gewaltig“, kein aufregender Rhythmus, kein „flüssiger Handlungsablauf“, Gesichter hinter „italienischen Karnevalsmasken“ gemeinsam mit den artistischen und solistischen Minus-Programmpunkten (…).

Aus Anlass einer Veranstaltung zur Editionsgeschichte von Wolfgang Hilbigs „StimmeStimme“, wird Wolfgang Hilbigs Tod von 2007 Gegenstand eines Gedichts von Thomas Böhme, ein Schriftsteller-Kollege Hilbigs: „Die Finsternis/ hat ihre zärtlichste Stimme verloren“ heißt es in „Wolfgang Hilbig ist tot“. Der Rest der Veranstaltung blieb einigermaßen kryptisch. Claudia Panzner meint, „ein Gesamtüberblick, eine Einführung in den ‚StimmeStimme-Band’ fehlt, Kenntnisse der Zeit und der Zensurvorgänge, der Namen und Ereignisse werden vorausgesetzt. Transparenz fehlt oder geht durch die hohe Erwartungshaltung an das Publikum verloren.“ Nur Referent (und Hilbig-Lektor) Hubert Witt ist überrascht: „Ich konnte nicht ahnen, wie viele genauer Bescheid wissen als ich.“

Elfriede Jelineks „Winterreise“, ein 77-seitiger wortgewaltiger Monolog, hat unter der Regie von Johan Simon Premiere an den Münchner Kammerspielen gefeiert. Von Empörung, der bevorzugten Währung bei Jelinek-Uraufführungen, keine Spur. Tragisch wurde die Komödie wie von Simon versprochen immer dann, wenn Jelinek „persönlich wird“. Also durchaus häufig, wie Britta Schultejans meint, denn die Winterreise „gilt als sehr stark autobiografisch beeinflusst.“

Steffen Georgi hat im Westflügel das Gastspiel von Thalias Kompagnons mit „Kafkas Schloss“ gesehen. Und war nicht nur vom Text hingerissen. „Die schöne, weil dem Stoff bestens angemessene Doppelbödigkeit dieser Inszenierung nun ist, dass Vogt, hinfort der Puppenspieler, seine Performance selbst so anzulegen vermag, als würde er gespielt werden.“ Und: „Vogt beherrscht das so gut, dass er seinen Figuren mitunter fast ein wenig die Show stiehlt.“ Aber nur fast.

4 Kommentare:

  1. Hallo "Athene"!
    1. Imre ist ein Männername. Also "Herzlichen Glückwunsch, Herr Grimm." Dankeschön.
    2. Zeilenhonorar gab's keins. Die LVZ gehört zum Konzern. Pech für mich.
    3. Wo war jetzt noch mal genau das Problem?
    4. Ihnen fehlt etwas Investigatives? Fragen Sie Peter Scholl-Latour. Schon mal mit Brainpool zu tun gehabt?
    Nix für ungut :-)
    Macht einfach Spaß, so auf'n Sonntag.

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  2. Oh, Mist, wie blöd. Kicher. Das tut mir jetzt leid. Wirklich. Also: Herzlichen Glückwunsch, Herr Grimm, dass sie gänzlich festangestellt Frau Lena Meyer-Landrut zum Hausfrauentalk auffordern durften.
    Peter Scholl-Latour? Hat der nicht gerade versucht, Lena den "Ägypten-Konflikt" zu erklären? Und B.? Dass für die Firma Interviews PR-Veranstaltungen zu sein haben, erscheint mir nicht ganz aus der Welt. Also gut, ist ja schon Montag. Schultag. Wieder was gelernt;)

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  3. Konzern? Hannover! Das ist eine Erklärung. Jetzt, wo die Boy-Band doch nicht Meister wird ...

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  4. Super Blog:))) Ich wünsche ganz viel Erfolg dabei!

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