Dienstag, 8. Februar 2011

lvz kultur vom 8.2.11: Krisen machen kreativ. Barbara Steiner. Gary Moore. Erich Loest.

Vielen Dank, Frau Steiner, für Ihre Arbeit in der GfZK! Die kluge und beharrliche Ernsthaftigkeit, mit der Sie Ihre Ziele und Ansichten vertreten und sich nicht wichtiger nehmen als für die Dinge gut ist, hat manchem in der Kultur Leipzigs imponiert. Dafür spricht auch das Interview, das Sie mit lvz redakteur Jürgen Kleindienst geführt haben.
Barbara Steiners Sicht, dass auch die Stadt von Zeit zu Zeit eine neue Herausforderung und neues Nachdenken in Hinsicht auf ihre Institutionen brauche, ist ungewöhnlich genug. Aber solange sie Leiterin der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig war, hat sie dies auch selbst geboten. Denn einfach zu sein, hat sie den Leipzigern nie versprochen. Auch wenn ihr „eine Art Abgehobenheit“, als die sie „elitär zu sein“ begreift, nicht gefällt. Sie wolle nicht zusätzlich zur Spaltung der Gesellschaft beitragen. Dem hat sie entgegengewirkt in ihrer täglichen Arbeit, indem das GfZK mit vielen Projekten raus aus seinem Kunsttempel in der Tauchnitz-Straße ging. In die Kleinstädte der Region, sogar nach Nordafrika, und – fast noch weiter entfernt – in die Kindergärten.
Auf Leipzig angesprochen, meint Barbara Steiner, dass der Kulturpolitik nicht nur überzeugende Konzepte fehlten, sondern vor allem ein neues Denken, wie die Institutionen in Krisen betrieben werden können. Dabei machte eine handfeste Krise kreativ - oder man gehe unter. Das Klammern an alte Rezepte, verbunden mit einer Vogel-Strauss-Politik „ist die eigentliche Krise“, sie führe zu Inaktivität. Von Seiten der Politik zu erwarten, dass mit immer weniger Geld das gleiche erzeugt werden könne, trage allerdings zum Dilemma bei. Als wegweisend in seiner Arbeit empfindet Steiner etwas das Forum zeitgenössische Musik oder die DOK Leipzig, aber auch die GfZK selbst.

Mark Daniel kann es immer noch nicht fassen. Nein, nicht, dass das zeitweise Mitglied von Thin Lizzy, Gary Moore, 58-jährig gestorben ist, sondern schlicht dessen Gitarrenspiel selbst. Mit dem habe er insbesondere live „pure Fassungslosigkeit“ erzeugte. Moore, der zu Thin Lizzy's Kopf Phil Lynott ein enges Verhältnis hatte, brachte besonders durch seine überraschenden musikalischen Kehrtwendungen und Neuorientierungen viele seiner Musikerkollegen ins Grübeln. Sein Wechsel vom Rock- ins Bluesfach etwa hatte bei manchen sogar Verratvorwürfe laut werden lassen. Lynotts Tod hatte Moore selbst sehr mitgenommen. Jetzt, anlässlich seines eigenen Tods, so kalauert Daniel, bekämen etliche seiner Rocker-Kollegen doch den Blues. Daniel tröstet sich mindestens selbst damit, dass bei der Vorstellung, im Himmel käme es zu einer Wiedervereinigung der beiden Musiker, dort wohl die Hölle los sei dürfte.

Erich Loest räumt weiter auf. In seinem Furor rechnet der 85-Jährige nun mit Schriftstellerkollegin Christa Wolf ab, wie die dpa vermeldet. Wolf gehörte gerade nicht zu denjenigen, die in der DDR „nicht mehr mitgespielt hätten“, sondern im Gegenteil noch 1989 zu den „engagiertesten“ Vertretern für ein „Weiterbestehen der DDR“. Er selbst, der bekennt, bis zuletzt „glühender Nazi“ gewesen zu sein, wirft nun allen an „rote Utopien und Mythen“ Glaubende „religiösen Fundamentalismus“ vor. Wann jemand anderer aus seiner Lebenserfahrung die richtigen Schlüsse ziehen müsse – und welche sind das? – ist aber schwer zu sagen. Den Besserwisser legen wir Deutschen halt ungern ab. (Ohne diese Rechthabereien gäbe es vermutlich auch dieses Blog nicht schon so lange.) Vielleicht hat sogar Christa Wolf manchen treuen Kommunisten oder manche treue Kommunistin oder sogar Mitläufer erst zum Nachdenken über die DDR gebracht? Vielleicht steht ja in Loests demnächst erscheinendem Tagebuch genauer, warum die Wolf wegen ihres politischen „Glaubens“, was denn eigentlich sonst?, angezählt werden müsse.

Fast hätte Janina Fleischer mit der Autorität des ältesten Gewerbes der Welt alle im poetry-slam den Weltgeist überwintern-Glaubenden ein Kondom über die nassforsche Spätpubertät gezogen. Doch so alt ist „der Literaturbetrieb“ dann doch wieder nicht. Dennoch, die Verlautbarung des Slammers Ko Bylanzky, „junge Leute für Kultur zu interessieren und an Sprache heranzuführen“, verbunden mit der vergifteten Spitze, der Slammer sei „authentischer“ als der Poet (Spitzweg!) bei „klassischen Lesungen“, klingt tatsächlich etwas modisch selbstüberzeugt. Ob Janina Fleischer in „ausgepresst“ mit ihrem Spott den Bogen nicht etwas überspannt? Immerhin haben die Slammer unter den Poeten tatsächlich ein paar Jahrhunderte mehr Tradition auf dem Buckel als die verbürgerlichte romantische Dichterseele. War denn nicht der Rhapsoden-Wettstreit Homer gegen Hesiod der erste verbürgte Poetry Slam der Kulturgeschichte? Da braucht Fleischer gar nicht erst angeberisch anzubringen, dass Cornelia Funke oder David Kehlmann noch etwas zeitgemäßer als die Slammmer seien, schließlich läsen beide bereits nur noch Playback! Was übrigens auch Fleischer noch nicht restlos überzeugte, denn sie fragt berechtigterweise, warum die denn nicht schon Karaoke-Lesungen abhielten? Fast schade um diese kleinen Eifersüchteleien. Aber vielleicht erleben wir ja dieses Jahr zur Buchmesse am lvz forum noch eine Überraschung.

Ulf Heise hat Margriet de Moors neuen Roman „Der Maler und das Mädchen“ gelesen. Mehr, als eine Stimmung erzeugt zu haben, „die einen die dramatischen historischen Momente förmlich atmen lassen“ (was ist Helmut Kohls Mantel der Geschichte gegen diese Formulierung?), wäre ihr allerdings nicht geglückt. Der Roman verbindet die Geschichte des alternden, im Alter erfolglos werdenden Rembrandt („Maler“) mit der einer jungen Frau, die von Dänemark nach Amsterdam auswandert, auf der Suche nach Arbeit und Leben, und die in einen Streit hineingezogen wird, der mit Totschlag endet. Und darauf mit der Hinrichtung der Elsje, des „Mädchens.“ Das heißt, es verbindet diese beiden Geschichten oder Stränge eben nicht. Genau das ist Heises Vorwurf an die Autorin, dass sie nur parallel liefen, sich kaum berührten. Außerdem passe ihr Stil, der zwar das Idiom beherrscht, aber zu Manierismen neige, nicht zur Schilderung des Lebens der Elsje.

Das Stelldichein deutscher Filmgrößen in der Münchner Michaelskirche, auch Abschied von Bernd Eichinger genannt, sei würdevoll gewesen, berichtet Ralf Isermann. Tykwer, der eine der Trauer-Ansprachen hielt, merkte in einer Inszenierungsanalyse an, E.s plötzlicher Tod hätte „wie ein falscher Schnitt“ gewirkt. Aber „vielleicht hätte Eichinger genau dies gewollt.“ Filmakademie-Präsident Rohrbach merkte in seiner „bewegenden“ Rede an, die Todesnachricht sei „ein eiskalter Schlag wie mit dem Fallbeil“ geworden. Er hätte sich von Eichinger „wenigstens ein Zeichen, ein diskretes Signal auf seinen bevorstehenden Tod“ gewünscht. Nach zwei Stunden wurde zum Beatles-Hit „Let it be“ die Urne aus der Kirche geleitet, die Trauergemeinde zum Leichenschmaus in den Kaisersaal der Münchner Residenz geführt, bevor die „engsten“ Gefährten „noch einen Abschiedstrunk bei Schumann's am Odeonplatz“ zu sich nehmen wollten. Das hätte Eichinger wohl wirklich gefallen.

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