Donnerstag, 3. Februar 2011

lvz kultur vom 3.2.11: Faber im Haifischbecken. Hindenburg. Sondheim. DJ Ralph D.

Ein reines Prestige-Projekt sei der Fernseh-Zweiteiler „Hindenburg“, zitieren die redakteure Eric Leimann und Carsten Rave (dpa) Barbara Thielen von RTL. Geld könne mit keinem „fiktionalen Film erwirtschaftet“ werden. Das ist sicher etwas eng gedacht. Denn wie die Zeitungen immer auch Redaktionelles für das Anzeigenumfeld produzieren, braucht ein Fernsehsender wie RTL natürlich außer einer Imageauffrischung auch Quotenbringer für das Werbeumfeld. Dafür eignet sich ein Katastrophenfilm wie „Hindenburg“ allemal. Gut 10 Mio. Euro Produktionskosten gönne sich RTL allerdings auch nur etwa alle zwei Jahre. Für eine ebenfalls produzierte Doku zum Thema hat der Sender den Zuschauern ebenfalls ein Leckerli hingehalten: Ein Interview mit dem letzten Überlebenden des Absturzes der „Hindenburg“ im Mai 1937.

Für den Spielfilm selbst haben Produzent Sascha Schwingel und Regisseur Philipp Kadelbach eine Shoppingtour durch die B-Movie-Genres unternommen. Ein bisschen Katastrophe hier, etwas Agenten- und Verschwörungsthriller dort, von Nazi-Glamour und Agatha Christie zu schweigen. Und die „Hindenburg“ als „alles überstrahlender Star“. Dazu eine kurzweilige und professionelle Inszenierung ohne Tiefe. Handlung und ein paar Schauspieler gehören natürlich ebenfalls dazu.

Vier attraktive Damen (im kleinen Schwarzen; mit High-Heels) sorgten im Gewandhaus für Aufmerksamkeit. Das „Hingucker“-Quartett Salut Salon vermengte Klassik, Folklore, Chanson und Kammermusik. „Wer sich prächtig amüsieren will, ist beim geistvollen Humor der Entertainerinnen gut aufgehoben“, schreibt Birgit Hendrich. Allerdings, neben der „hinreißenden Bühnenshow“ verstehen die Vier anscheinend auch viel von Musik. Am Ende „enthemmter Jubel“ des Publikums.

Mathias Wöbking organisiert in „ausgepresst“ derweil einen Diktator-Tourismus und vermittelt nebenbei den 82-jährigen Hosni Mubarak in die nächste leitende Stelle. Frankreich hat beste Aussichten, seit Kaiser Bokassas und „Baby Doc“ Duvaliers Aufenthalte. Saudi-Arabien hätte ebenfalls einiges zu bieten. Tunesien-Ben-Ali ist ohnehin schon dort. Aber „auch Deutschland ist“ - noch - „im Rennen.“ Vox plane eine Spezialausgabe der „Auswanderer“. RTL eine Big Brother-Fortsetzung. Hat schon bei Aristide, Mladic und Imelda Marcos angefragt. Wöbking mit schöner Schlusspointe: „Der Sieger darf ein ostdeutsches Bundesland tyrannisieren.“

In der Galerie Archiv Massiv im Spinnereigelände werden Fotografien von Wednesday Farris gezeigt. “Kühl und doch erhaben“ inszenierte Objekte, die – in klassischem schwarz/weiß fotografiert – zu berückend-entrückten Abstraktionen werden. In den alltäglichen Gegenständen, die jedes einzelne für eine Geschichte stehen, „schlafe jenes Lied“, das auf das Eichendorffsche Zauberwort „warte.“ Dennoch sei, meint Jürgen Kleindienst, nichts in den Fotos „vordergründig ästhetisiert“, vielmehr bergen die Objekte geheimnisvolle Metaphern, die über die Gewissheit des Gegenstands hinausweisen.

Von einer aufsehenerregenden Erstaufführung eines Musicals an der Dresdner Staatsoperette berichtet Boris Michael Gruhl: Stephen Sondheims „Passion“. Dessen Vorlagen sind ein Roman von Tarchetti und der nach ihm entstandene Film von Ettore Scola. Eine Dreiecksgeschichte aus dem Jahr 1862. Junger Offizier wird versetzt, muss seine Geliebte verlassen und wird von der todkranken Tosca verführt. Alle drei sind tragische Figuren auf dem Weg ins Unglück. Eine vordergründig rührselige, doch knallharte, abgründige Geschichte in doppelbödiger Musik. Gruhl erstaunt: „Das alles in einem Musical.“ Die „gefährlich-schöne“ Musik erst „macht diesen unaufhaltsamen Fluss des schönen Unglücks möglich.“ Regisseur Holger Hauer inszeniert ein Kammerspiel mit Gegenwartsbezug. Gruhl vermisst etwas Schroffheit und schärfere „Militanz der Schnitte“, um „der Gefahr schleichender Ermüdung“ zu entgehen.

Im Fotomuseum Mölkau wird in der 6. Folge aus der Reihe „Ästhetik der Lüste“ erotische Fotografie ausgestellt. Von anonymen Fotografien der zugeknöpften Viktorianischen Epoche bis ins Heute hinein dokumentiere die Schau auch den Wandel des Schönheitsbegriffs „von üppig und rund zu schlank und rank.“ lvz redakteurin Christine Hochsteins Favoriten sind allerdings von Hermann Försterling 2006 arrangierte und fotografierte Blüten, die „weibliche Intimzonen suggerieren wollen.“ Hier entstehe das erotische Moment „allein aus der Fantasie des Betrachters. Das war und ist das Geheimnis der Lust.“

Ganz neue Wege der Verteilung der schwindenden Mittel für die Kultur in Leipzig hat der Stadtrat eingeschlagen, lvz redakteur Mark Daniel hat den ersten Feldversuch beobachtet. Beim Überlebens-Training nach Vorbild des Dschungelcamps unter dem Titel „Der Zwang heißt 'Spar' – mobbt mich hier raus“ sind etliche der Big Player der Leipziger Kultur im Leipziger Zoo eingeschlossen. Wer als Letzter übrigbleibt, wird Zookönig und erhält die Gelder aus dem Fördertopf. Latenight-Talker und DJ Ralph D. macht als einziger freiwillig mit und scheint nur dabei zu sein, um den anwesenden Damen (Euro-Scene-W. Und F/Stop-Kristin D.) an die Wäsche zu gehen. Maler Michael F.-A. gerät sofort mit Sebastian H. vom Central-T. in Streit, wird später als erster rausgewählt, weil er unzulässigerweise ein Pferd zum Zebra angemalt hätte. Tragischer Irrtum, dennoch bleibt's dabei. Riccardo C. droht mehrere Male mit Rücktritt, bis er sich in den ständigen Ankündigungen komplett verheddert und tatsächlich irrtümlich geht. Freie-Szene-Falk E. erkämpft sich einen 5%-Vertrag für seine Klientel, der aber hinter seinem Rücken an die Erdmännchen verfüttert wird. Der OBM intrigiert gegen den arglos im Haifischbecken schwimmenden Michael F. , Kristin D. verlässt beleidigt, nach kurzem Erotikintermezzo mit Ralph D., das Camp. Sebastian H. inzeniert im Pongoland Penthesilea, Ann-Elisabeth W. wird von Thorsten W. und Falk E. Gemobbt. Alles läuft auf das Finale zu. Michael F. wird neuer Zoochef und Falk E. heult sich zu guter Letzt endgültig doch noch aus dem Zoo. Moderator Peter D. verkündet den Sieger: Ralph D., der aber mit den 3 Mio Euro nichts anzufangen weiß. Auf Facebook Freundschaftsanfragen von S.H., A.-E. W., Th.W. Und R.C. An Falk E.s Facebookprofil. Nach dem überwältigenden Erfolg des Formats erhält Leipzig Fernsehen die Fernsehrechte für das kommende Jahr. Die 5 Mio. Leipziger Zuschauer können ihre Streichhölzer wieder aus den Augen nehmen.

In einem Interview mit Thomas Mayer gibt Michael Faber zu, dass die mangelnden Reaktionen der Stadt auf Tod und Beisetzungen von Günter Grabbert und auch Joachim Herz ein Versäumnis darstellen. Allerdings sieht Faber die größere Verantwortung beim Centraltheater, das ein so langjähriges Ensemblemitglied „hätte würdigen müssen.“ Weiter zitiert Mayer Faber mit den Worten, den Entzug der Zuständigkeit für die Eigenbetriebe Theater durch OBM Jung „akzeptiert“ er nicht, weil sie „die Entwicklung der Kultur in unserer Stadt beeinträchtigt.“ Ansonsten pocht der von manchen süffisant schon als „Volkshochschuldezernent“ bezeichnete Faber darauf, dass er neben der Zuständigkeit für die freien Trägern und Vereine schließlich auch Aufsichtsratsvorsitzender des Zoos sei, ihm das Marktamt unterstehe, die VHS, die Städtischen Bibliotheken, die Museen und der Thomanerchor. „Ich leide nicht an Langeweile.“ Zum Denkmalsstreit merkt Faber an, dass „in Dresden und anderswo man bereits über unsere Streitereien lacht.“

2 Kommentare:

  1. hello,

    ein schickes blog, ich lese es immer wieder mit freuden. klasse arbeit! nur heute hat sich ein kleiner fehler eingeschlichen: carsten rave arbeitet seit etwa 20 jahren für die dpa.

    besteckfach

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  2. liebe/r anonym, danke für den Hinweis! Und natürlich auch für das Feedback! athene

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