Freitag, 21. Januar 2011

lvz kultur vom 21.1.11: Confrontainment in Leipzig? Coen-Brüder. Gondwana-Land. Faber.

Norbert Wehrstedt muss früher mal blind gewesen sein, so sehr durchkämmt er heute Sequenz für Sequenz aller Filme, derer er habhaft werden kann. Und will Bilder sehen, große Bilder! Beschimpft alle, die "vom Kino so viel verstehen, wie die Erdmännchen von der Tigerjagd" und den Golden Globe an ein "bilderloses Hörspiel" verleihen: The Social Network. Statt ein harmloses Nickerchen vor der Leinwand einzulegen, will er das Werk an MDR info weggeben. Denn jetzt gibt es ja "True Grit", "das neue Western-Meisterstück" der Coen-Brüder. Bildgewaltig. Und erfolgreich. Nach vier Wochen habe es bereits 130 Mio Dollar eingespielt. Das kann keiner der in den letzten Jahren gedrehten Western von sich behaupten. Wehrstedt trägt die lange Liste der weniger erfolgreichen Western so akkurat vor, als wolle er selbst bei MDR info als Nachtportier anfangen. "True Grit" ist ein Remake von Hathaways Klassiker "Der Marshall", mit dem John Wayne seinen ersten Oscar gewonnen hatte. Das traut Wehrstedt der Neufassung der Coen-Brüder nicht nur ebenfalls zu, sondern erhebt sie gleich in den Stand der "Auferstehung des Western"-Genres.

Feo Aladags Film "Die Fremde" mit Sibel Kekilli ist nicht in die Endrunde um den Oscar für den "besten fremdsprachigen Film" eingezogen. Von der deutschen Jury war er seinerzeit mit viel Vorschusslorbeeren bedacht ins Rennen um die Trophäe geschickt worden.

Janina Fleischer wird langsam ungeduldig. Die Peaceniks im RTL-Dschungelcamp gehen ihr gehörig auf den Senkel. Statt sich gegenseitig zu zoffen, was der australische Regenwald nur hergibt, müssen die Zuschauer diesen hartgesottenen Part übernehmen. Mit Lust an der Niedertracht haben sie "die arme Sarah" bereits zum fünften Mal hintereinander für die Dschungelprüfung ausgewählt. Als ob es zuhause nicht genug Möglichkeiten zum Mobben gäbe. Doch ein ähnlich gelagertes Ausleben niederer Instinkte hat der kluge Roger Willemsen einmal als "Konträr-Faszination" bezeichnet ("Gott sei Dank bin ich nicht so"), Janina Fleischer übersetzt die Wortzusammensetzung glücklicherweise ins Englische, so dass man sie verstehen kann: Als Confrontainment nämlich. Das jüngste lockere Geplänkel im Neuen Rathaus lässt sie allerdings nicht als solches gelten, lieber möchte Fleischer das neu errichtete Gondwanaland als ein heimisches Dschungelcamp nutzen lassen, "alles eine Frage des Marketings". Die Besetzung findet sich.

Im Haus des Buches hat Alexander Osang aus seinem Reportagenband "Im nächsten Leben" gelesen, Claudia Panzner war für die lvz dabei. Während Verleger/Moderator Christoph Links im Gespräch mit Osang ihn als "guten Autor" bezeichnet, bleibt Panzner merkwürdig distanziert. Dessen "viele Typisierungen und Vergleiche" bezeichnet sie allerdings als "schematisches Spiel, das man mögen muss". Warum eigentlich? Sie spekuliert, dass Osang "im nächsten Leben" selbst kein Ostdeutscher sein wolle, stattdessen Amerikaner. Dort"fühlte ich mich wieder wie ein Junge", und hatte das Gefühl, "nicht zu altern". Osang, der Reporter, badet im Jungbrunnen. Auch ne Story.

Jürgen Kleindienst und Mark Daniel entdecken bei dem alten und aus der eigenen Asche wieder emporgestiegenen Kulturbürgermeister Michael Faber Ansätze von Selbstkritik, er wolle sich stärker als Gestalter, Politiker und Kommunikator begreifen als bisher. Sogar ein Handy erwägt er zu kaufen. Zu Hartmann und der freien Szene will er erstmal schweigen, da habe er schon mehr als genug gesagt. "Dass er als handelnder Kulturbürgermeister" nicht anecke, glaube er allerdings nicht. Die Freie Szene mimt den Miniatur-Jung, trägt die Sorgenfalten professionell und "akzeptiert die demokratisch gefällte Entscheidung". Das macht Gewandhaus-Schulz weniger. Er "bedauert die Entscheidung, findet sie sehr problematisch." Ansonsten hat auch er Kreide geschluckt. Und: Faber will die Kompetenz für die Eigenbetriebe wiederhaben.

Im "Musica-Nova"-Programm "Fernblicke" geht der Komponist Steffen Schleiermacher der "zentralen" Frage nach, ob "die Musik des Italieners Giacinto Scelsi" asiatisch zu nennen wäre. "Wise Water", ein anderes seiner Werke, bezeichnet er lieber gleich als "langsam dahinfließende Zeit", an anderer Stelle kommt die Musik "aus dem Nichts" oder das alte Bonmot, dass das nicht noch das Stimmen der Instrumente seien, sondern "schon das Stück". Ob Heike Bronn ihren ganzen Artikel unter leicht ironische Vorzeichen gestellt hat, kann man natürlich investigativ herausfinden.

In der palästinensische Stadt Jenin mit seinen großen Flüchtlingslagern wurde das einzige Kino der Stadt 1987 zur Intifada geschlossen. Mittels vieler Spenden wurde das Kino in dem nahe des Grenzzauns gelegenen Ort wiederaufgebaut, teils gegen den Willen und sogar Drohungen von konservativ-religiösen Bewohnern. Dass jüngst sogar ein Anschlag auf das Kino verübt wurde, sagt Theresa Rentsch zwar nicht, vorerst wird ihm immer häufiger mal ein großes Lob für das preisgekrönte Werk "Das Herz von Jenin" des deutschen Regisseurs Marcus Vetter ausgeteilt. Das Kino selbst ist mittlerweile längst zur Anlaufstelle geworden für ganz alltägliche Probleme.

2 Kommentare:

  1. Das RTL Dschungelkamp ist eine sehr merkwürdige daily soap. Diese Fernsehsendung mögen zwar viele veruteilen, allerdings gibt sie meines Erachtens ein gutes Gesellschaftsbild in dieser unserer Republik wieder. Wenn sich diese Fernsehsendung Folge für Folge ein Millionenpublikum ansieht, dann zeigt das meines Erachtens ein gutes Bild unserer Gesellschaft.

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  2. Habe heute erst den Coen-Artikel zu Gesicht bekommen. Unterstes Niveau. 7/8 des Beitrags ist eine vollkommen verzichtbare Auflistung „alter“ Westernfilme und deren Einspielergebnisse, gewürzt mit der vollständig irrelevanten Meinung Wehrstedts zu diesem, jenem, nichts und allem, was aber am Ende wieder ins Spektrum der gesamten Zeitung passt.

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