Samstag, 15. Januar 2011

lvz kultur vom 15.1.11: Hustenwelt hoch zu Ross. Updike. Faber. Hein.

Bald besteht die lvz kultur nur noch aus Geburtstagsständchen. Die Jubiläumsseligkeit ist armselig und tot, auch wenn hin und wieder eine wirkliche Perle der Erinnerung und Wertschätzung dabei sein mag. Heute ist es eine anlässlich des 100sten "Geburtstages" von Gaston Leroux' "Phantom der Oper" dargebotene Gala in der Arena. "Filetstücke von Buch, Musical oder Oper" waren zu hören. "Bloßes Stückwerk", wie Thomas Düll befand, selbst, wenn es in Person von Anna Maria Kaufmann und Ethan Freeman stimmgewaltig daherkam. ("Fastfood"-)Atmosphäre, Geschichte ("zweitrangig"), Bühne ("ein Galakompromiss"), Örtlichkeit ("Die Arena - ein Affront, ein Unding") - nichts stimmte an diesem Abend. Auch nicht die Zuschauerzahl ("Wenige Menschen zwischen leeren Plastikstühlen"). Übrig bleibt, wenn man alles wegdenkt, ein wenig "Magie zwischen den beiden Stars". Zu wenig. Hoffentlich auch für die Veranstalter in der Tasche.

Aus dem Nachlass des vor zwei Jahren verstorbenen US-amerikanischen Schriftstellers John Updike ist der Erzählband "Die Tränen meines Vaters" erschienen. Janina Fleischer hat ihn gelesen.Und ist hingerissen von den 18 Erzählungen, einem "Porträt der weißen US-Mittelstandsgesellschaft". Ohne in Superlative zu verfallen, gibt Fleischer durch ihren eigenen, unaufgeregt ausdrucksvollen, lapidaren Stil etwas von der "Kraft" wieder, die im Text steckt. Die Melancholie der Beschreibungen, die immer wieder die Zärtlichkeit des Vergeblichen, des Zu-späten, des Selbstbetrugs ohne Absicht, des Humors zum Inhalt hat, spürt der Unterströmung des Lebens nach, die den Menschen endlich hinaus ins große Nichts treibt.

Es gibt Texte, da schaut man nach zehn Zeilen ans Artikelende, wo in der Regel der Name des Autors steht. Dieser, "Zu leise für diese Hustenwelt" überschrieben, ist so einer. Wenn einem das Große Concert im Gewandhaus, mit Schostakowitschs Fünfter Sinfonie, mit Mozart und Bolcom, mit Slatkin (Leitung) und Biss (Pianist), noch nicht überzeugt haben sollte, die Rezension von Elisabeth Schwarze schafft das mühelos. Wo andere Kritiker auftrumpfen, selbstverliebt durch die Zeilen tänzeln, Klugheit scharf werden lassen, Sprache mühsam bändigen, erscheint Schwarzes Text wie eine den Leser durch den gesamten Text tragende Melodie, ihr ist die Sprache wie eine gute Freundin, die einen nicht verlässt, die Blüten treibt ohne prunken zu wollen, die genau wiedergibt, dass die Rezensentin zugehört, mitempfunden und all das anschließend in ihrem Herzen, ihrem Verstand, bewegt hat, ohne den Fokus mehr als nötig auf sich zu lenken. Ob für sie auch die eigene Überschrift gilt? Kaum zu glauben.

Die Abwahl von Michael Faber als Kulturdezernent steht in wenigen Tagen bevor (Mittwoch), die lvz lässt von dem bisher wenig beteiligten Meinhard Michael die Situation analysieren. Er bemerkt zwei sich ergänzende, wenn auch mitunter gegenläufige Tendenzen. Zum einen das von Fabers Gegnern maliziös und lustvoll durch bewusstes Verschärfen und Missverstehen von Äußerungen konstruierte fatale Image eines inkompetenten Fettnapftreters. Und zum anderen dessen stoische, geradezu überloyale Natur, verbunden mit einer eher reflektierenden, tendenziell repäsentativen statt tatkräftigen Persönlichkeit. Die im Pulverdampf und Bühnennebel verschwindenden Gegner ("Rampensäue") sind für das Publikum greifbarer. Und Faber für einen Sündenbock wie geschaffen.
Hinzu kommt, dass Maravics und Hartmann und selbst Gewandhaus-Schulz, die Freie Szene und die städtischen Denkmals- und Museumsfreunde in ihm keinen lauten Fürsprecher finden. Und die sind bekanntlich allesamt gut vernetzte Lautsprecher. Meinhard Michael erkennt genau, dass hinter den "blumigen" Vorhaltungen, Faber sei kein "homo politicus" ein die Kreise des OBM und der durchaus heuchlerischen, stark konservativen bzw. egozentrischen Kulturszene durchkreuzender Eigenbrödler steckt, dem man sicher nicht fehlende Überzeugungen nachsagen kann. Nur nicht notwendig zu ihren Gunsten. Fatal bleibt allerdings die oft unhörbare statt unüberhörbare Prägnanz des Michael Faber.

Im Gegensatz zu Meinhard Michael kann Christoph Hein, der ebenfalls von der lvz zur "Causa Faber" befragt wurde, wenig Erhellendes beitragen außer einer persönlichen Bekanntschaft zu den Fabers und einer etwas zusammenhanglosen Sottise auf substanzlose, wendefreudige "Helden" aus der Heldenstadt.
Was von denen zu halten ist, macht übrigens die Auswahl der Zuschriften zum Denkmalstreit deutlich, die eine durch und durch kleinkarierte, dünkelhafte, besserwissende Kaste von scheinbaren Ureinwohnern an die Nörgel- und Oberlehrerfront drängeln sieht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen