Montag, 10. Januar 2011

lvz kultur vom 10.1.11: Kreuzworträtsel lösen mit Donis. Und: Pfeffermühle, MuKo, Neujahrsingen

Der Umzug ist geschafft. Eröffnung war gestern. Ab heute wird die Leipziger Pfeffermühle mit Sottisen und bissigen Bemerkungen, mit Spott und politischem Witz im Kretschmannshof gegenüber dem Bildermuseum ihren Kredit abarbeiten müssen. Das Kabarett hat 650.000 € aufnehmen müssen, um nach 85 gesichteten Lokalitäten und entsprechenden Verhandlungen ihr neues Haus spielfertig zu machen. Die Stadt sei vorsorglich nicht zur Eröffnung erschienen, bemerkt Mark Daniel. Sie liest sich ihre Leviten lieber selbst aus der Zeitung vor, statt sie sich vor versammelten Eröffnungsgästen durch Geschäftsführer Dieter Richter live abzuholen. "Mangelnder Respekt" ist es, den Richter der Stadt vorwirft, keine Fürsprache bei der Kreditfindung, nicht einmal Hilfe beim Suchen des neuen Domizils. Das Ressort Wirtschaftsförderung ist von dem Vorwurf explizit ausgeschlossen. Gekommen ist es dennoch nicht. Verletzte Eitelkeit spricht ebenfalls aus des Geschäftsführers Mund. Im Kulturentwicklungsplan 1994 sei die Pfeffermühle noch als "unverzichtbar" und "wichtig für das Renommee der Stadt" eingeschätzt worden. Eine solche Äußerung findet sich im KEP für den Zeitraum 2008-2015 nun nicht mehr wieder.
Doch neben der Kritik gabs auch noch Gulaschkanone auch Livemusik und das "karnevalesk anmutende" Jubiläumsprogramm "Salve, für alle!" in einer Inszenierung von Hansa Molle. Das Haus selbst wird eine größere Bühne für bis 177 Personen und zwei kleinere bespielen.

Der Operettenworkshop samt Dirigierwettbewerb in der Musikalischen Komödie hat eine Siegerin gefunden. Kristiina Poska aus Estland gewann den Wettbewerb souverän mit ihrem Dirigat der Zigeunerbaron-Ouvertüre, anschließendem Peter-Stolz-Liedgut und einem Terzett aus Kalmáns "Csárdásfürstin". Auch den lvz Publikumspreis hat sie erhalten, viele Stimmabgaben fanden bereits zur Pause der Veranstaltung statt. "Rasant, voller Energie und Präzision", befand Peter Korfmacher, das Publikum "brüllte auch zwischendurch immer mal wieder Bravo" und war anschließend "ganz aus dem Häuschen." Korfmacher meint, "solange Dirigenten mit so feinem Gespür für Qualität und Eigengesetzlichkeit des Genres nachwachsen, muss man sich um die Zukunft der Operette keine Sorgen machen." Um die Zukunft der Musikalischen Komödie allerdings schon.

In der Rubrik "ausgepresst" berichtet Korfmacher ganz neidisch über ein Projekt des "Verständlichkeitsforschers" Gerd Antos von der Universität Halle. "45 zum Teil höchst kompliziert formulierte Paragrafen des Nachbarschaftsgesetzes" werden gerade von ihm und Studenten überarbeitet. Sie sollen verständlicher werden, das Volk soll sehen "dass wir ihre Sorgen ernst nehmen", wollen "sich auf die Ebene des Bürgers begeben" und gar nicht mehr in einer Sprache reden wollen, "die nicht mehr verstanden wird." Ola! Korfmacher beantragt in ausgepresst nun ebenfalls eine Überarbeitung seiner Artikel durch Antos und Konsorten, indem er demonstriert, dass er auch ganz schön komplizierte Sätze formulieren kann. Und wenn Antos Korfmacher fertiggemacht hat, kann er sich ja mal Kleist und Thomas Bernhard vornehmen. Die Leser der lvz werden es ihm danken.

Der Mittelpunkt des Leipziger Kulturlebens am Wochenende war das Neujahrssingen im Anker. Donis, bekannt vom Tresen des Hotel Seeblick und gelegentlichen Abstechern ins Ilses Erika, hat moderiert. Theresa Wiedemann meint, "entspannt und ungekünstelt". Mit dieser Einschätzung blieb sie aber weitgehend allein. Dafür wirkte Donis denn doch zu angespannt, selbstverliebt und aufgedreht statt souverän. Dass der Kreuzer-Kolumnenschreiber der lvz immerhin zugutehält, seinem alltäglichen Kreuzworträtselbedürfnis Abhilfe zu schaffen, war noch das größte Lob des Abends an die lvz. Außer dem für "Kiss" in Gestalt der drei großen "D", mit der die lvz-Abordnung unter Leitung von Szeneredakteur Mark Daniel den Saal rockte ("...deuten sogar eine Choreografie an und erzeugen ein fröhlich durchs Publikum schwappendes Grölen"). Die anderen 12 Gastronomen (ohne Dönerläden) und Meinungsmacher (ohne Radio, Web und TV) schlugen sich sehenswert und wacker, Wiedemann kolportiert, es sei "das bisher wohl beste Neujahrssingen" gewesen. Oha. Musikalisch wagte sich Shady Elwan (kein Wunder, "Shady" bedeute "Gesang der Nachtigall") mit seinen Orient-Tönen noch am weitesten weg von der Pop-Fröhlichkeit des Abends, und hatte zudem noch die eindrucksvolle Bauchtänzerin Lina an seiner Seite.

Eine fröhliche Mischkalkulation betreibt das Centraltheater in seinem Angebot. Wie ein Stadthallenbetreiber sorgt Chef Sebastian Hartmann, jenseits der eigenen Klassiker- und sonstigen Schauspieladaptionen mit begrenzter Anziehungskraft, mit einem avancierten Konzertprogramm, Rainald Grebe, Weihnachtsmärchen und dem Lachmesse-Programm für die nötige Laufkundschaft und gelegentliche Auslastung. Jetzt war es Tom Pauls, der mit seinem Programm "Lothar und der Kormoran" für ein ausverkauftes Centraltheater sorgte. Die Rolle des Lothar schrieb Regisseur Holger Böhme Pauls "auf den Leib". Während der erste Teil bis hin zu "Wahn und Fanatismus" in den Augen seines Protagonisten echte Qualität bot ("ausgewogenes Stück aus Nachdenklichkeit und Satire"), stimmte im zweiten Teil die Figur des Lothar nicht mehr, schreibt Theresa Rentsch. Es endete sogar "relativ plump", an der Grenze des Minderheitenbashings (Ausländer, Homosexualität) und dramaturgisch scheinbar rüde und gewollt.

Reik Hesselbarth, Fraktionsvorsitzender der FDP im Stadtrat, macht sich im Gespräch mit Ulrich Milde Gedanken über die Kultur in Leipzig. Der Oper droht er bereits "Gespräche" an, den Kulturhaushalt will er "angemessen reduzieren" ohne dabei "Angebote zu streichen". Ziel müsse es sein, "das Kulturangebot den Bedürfnissen der Leipziger und ihrer Besucher stärker anzupassen sowie Strukturen zu vereinfachen." Da Hesselbarth Probleme mit dem "hohem Investitionsaufwand" beim Gebäude der MuKo sieht, könnte man natürlich gleich die Muko in die Oper lassen. Täte dem Etat gut und entspräche den Bedürfnissen des Publikums - und Peter Korfmachers. Einer regional/touristischen Ausrichtung, wie sie Hesselbarth vorschwebt sowieso.

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