Donnerstag, 13. Januar 2011

lvz kultur vom 13.1.11: Dennis Hopper schießt auf Mao. Valente. Bach. Breakdance

Dass Catarina Valente von ihren deutschen Produzenten aufs Schlagerfach festgelegt wurde, war wohl ein Missverständnis. Auch wenn das Genre in den Fünfziger Jahren musikalisch erheblich mehr zu bieten hatte, als man heute denkt, textlich war und ist es grausam. Dabei war Catarina Valente, die in Paris geborene Italienerin, im Grunde eine Jazzsängerin. Zudem "professionell, ehrgeizig, perfektionistisch - und mit Hingabe." In Amerika sang sie, so schreibt Peter Korfmacher, mit den Größten: "Dean Martin, Louis Armstrong, Chet Baker, Bing Crosby, Sammy Davis Jr., Ella Fitzgerald, Sy Oliver und Quincy Jones; Jerry Lewis paodierte sie." Zur gleichen Zeit schrieb man ihr in Deutschland einen "harmlosen Schlager nach dem anderen." Nach 60 Jahren im Showgeschäft gab sie ihren letzten Auftritt in Europa 1996 in Leipzig, damals überredete sie Peter Degner zu einem Auftritt in der Oper. Die Valente interessierte die Orte der Friedlichen Revolution sehr. Seit 2003 lebt sie zurückgezogen von der Öffentlichkeit - und genießt, ganz privat, die einfachen Dinge des Lebens: Zeit mit ihrer Familie, Reisen - und Jazz. Morgen wird Catarina Valente 80 Jahre alt.

Eine Ausstellung für Menschen, die sich einlassen und beteiligen, die Lust aufs Entdecken haben, bietet die Galerie für Zeitgenössische Kunst. "Puzzle" erschließt sich, ganz gemäß ihrem Namen, weniger dem Flaneur als dem Forscher. Dabei verändert sich die Ausstellung immer wieder. In der Ausstellungszeit werden in den zehn "Raumzonen" etwa 30 unterschiedliche Projekte zu sehen gewesen sein. Alle beschäftigen sich mit dem Bestand der Sammlung der GfZK, setzen sich ins Verhältnis, erarbeiten selbst künstlerische Bezüge. Die Ausstellungsmacher, für jede "Zone" einer, gehören zum erweiterten Umfeld der Galerie. So "offenbart 'Puzzle' mehr über den Charakter und die Methoden der Arbeit an der GfZK, als über die Substanz dessen, was in ihrem Depot lagert."

Eine Sehnsuchtsmetapher, die farbe Blau, steht im Mittelpunkt der Erzählung "Adana" aus dem Jahr 1988, die Gunter Preuß für die Lesung im Haus des Buches noch einmal überarbeitet hat. Die Antiquiertheit der Spache schreckt nicht ab, lädt den Hörer ein in die Geschichte von Raimund, einem "aus der Art geschlagenen, wunderlichen Kind", der bis ins Greisenalter ein Außenseiter bleiben wird. Claudia Panzner zitiert später einen Satz Preuß', dass die "Bestimmung des Menschen sei, auf der Suche zu sein." Der Künstler gibt seiner Suche "eine Form." Doch zuallererst möchte Preuß verstanden werden. Ihn interessiert, ob die Zuhörer und Leser "individuelle Lesarten" entwickeln - und unterhält sich mit ihnen darüber.

Viel Fotografie und "erhabene Düsternis" sind beim jüngsten Winterrundgang in der Baumwollspinnerei zu erleben. Videokunst aus Israel (Yehudit Sasportas; Israelischer Pavillion in Venedig), Schwarz-Weiß-Fotografien als klassische Stillleben (Wednesday Farris; "erhabene Licht-Schatten-Landschaften"), auch in anderen Galerien wird vornehmlich Fotografie ausgestelllt: Bertram Kober, Peter Riedlinger (Filipp Rosbach), b2 (Stefan Fischer) und Maerzgalerie (Yamamato Masao). Wie Jürgen Kleindienst schreibt, wird zum Winterrundgang auch die zweite Ausgabe der lvz Edelgazette SpinArt erscheinen.

Ein Warhol-Gemälde, auf das Dennis Hopper in geistiger Umnachtung einmal zwei Schüsse abgefeuert hatte, ist zum Zehnfachen des Schätzwertes verkauft worden (mehr als 230.000 €). Der Druck ist aus der Serie der Mao-Bilder, Hopper glaubte angeblich, auf Mao selbst zu schießen. Warhol erklärte daraufhin, das Bild sei nun "eine Kollektivarbeit" zweier Künstler. Ob die Wertsteigerung wohl mit der besonderen Erzählung zu diesem Bild zu tun hat, oder allein dem Glamour des "Easy-Rider"-Stars zu verdanken ist, bleibt offen.

Eine Breakdance-Performance zu Bachmusik wird es beim diesjährigen Bachfest zu sehen geben. Der künstlerische Leiter des Projekts, der Dirigent und Opernregisseur Christoph Hagel, hält Bach unter den klassischen Komponisten für besonders geeignet, in HipHop umgesetzt zu werden, weil Bachs Musik viele Rhythmusänderungen und Motivwechsel habe, die der Kleinteiligkeit des Breakdance entgegenkommen würde. Vartan Bassil, der "Kopf" der sechs Breakdancer, hat eine Geschichte choreografiert, die sich "um Freundschaft, Hass, Streit und Liebe dreht". Wie Claudia Panzner schreibt, könne man einen 20-minütigen Ausschnitt des Tanzes am 12. Juni open air auf dem Leipziger Markt erleben.

Die Kunstmesse Art Stage in Singapur zeigt unter anderem einen Gemäldezyklus von Ronald Manullang (Indonesien), in denen Hitler auf groteske Weise verfremdet werde. So wird er als halbnackter Schwangerer, später mit Baby auf dem Schoß dargestellt. Der Maler wolle Hitler damit "lächerlich machen", es sei eine Vorstellung, wie Hitler "für seine Sünden bestraft werden könne, wenn er vor dem Jüngsten Gericht" stünde. Auf der Kunstmesse werden vornehmlich Künstler aus dem asiatisch-pazifischen Raum ausgestellt, darunter auch Ai Weiwei, dessen Atelier jüngst auf Veranlassung der chinesischen Behörden zerstört wurde.

Steffen Georgi hat beim Wiedersehen von Filmen, die in einer Werkschau von Filmen Pier Paolo Pasolinis in der Schaubühne Lindenfels zu sehen sind, zwiespältige Empfindungen. Einerseits drängten sich manche Werke dem Zuschauer "in ihrer antibürgerlichen Emphase" in einer "nur noch obskur wirkenden Bedürftigkeit nach 'Archaik und Ursprünglichkeit' auf" (Teorema). Andere spielten in "Klarheit und Schönheit" mit antagonistischen Elementen wie "Marxismus und Christentum, Revolte und Demut, Verheißung und Leid" (Das 1. Evangelium Matthäus). Pasolini verbände Heiliges mit Profanem. Verstörend wirkte allerdings auch heute noch sein letzter Film, "Saló oder Die 120 Tage von Sodom."

Ist Lärmempfindlichkeit spießig? Oder erst das Rufen nach Ordnungshütern, wenn der lvz redakteur im fünften Stock mitten in der Nacht durch Lautstärke vom Nachbarn aus dem Schlaf geschreckt wird? Mit sich uneins, will sich Mark Daniel sein schlechtes Gewissen wenigstens abhandeln lassen: Zum Beispiel durch die nette Offerte einer Tüte Oropax durch die Kellerclubbetreiber. Das wär "o.k.", bekennt der konfliktscheue, keineswegs Zähne zeigende szähne-redakteur.

Im Gegensatz zu den meisten lvz Anrufern aus Leipzig, plädiert der Direktor des Zeitgeschichtlichen Museums, Rainer Eckert, im Gespräch mit lvz redakteur Thomas Mayer für das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal. Zum einen hätten die mutigen Bürger durch die Friedliche Revolution ihre Freiheit erlangt, diese sei die zudem der erste gelungene antidiktatorische Aufstand in Deutschland und bereitete darüber hinaus der späteren europäischen Einigung den Weg. Anlässe genug für ein Denkmal auf dem Augustusplatz. Die Anrufer möchten, wie Mathias Orbeck mitschreibt, das Geld lieber in die Schlaglöcher auf Leipzigs Straßen verfüllen oder gleich in die Finanzlöcher des Bundes-Etats. Reisefreiheit stand bei den Leipziger Bürgern schon immer hoch im Kurs. Wenn aus dem ganzen demokratischen Diskussionsmäntelchen nicht der geldwerte Vorteil einer aus Tourismusgründen aufgefrischten Fassadensanierung für Leipzig hervorlugen würde, wäre die Entscheidung wohl klar: pro Erinnerung, contra grauem, bröckelndem Mauerputz. Aber so?

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