Dienstag, 25. Januar 2011

lvz kultur vom 25.1.11: Lieber Solidarität als Freiheit. Paul Dubois. Hellmut Lange. Kurt Maetzig.

Wenns um die heimische Wirtschaft geht, veröffentlicht die lvz sogar einen Artikel über die Möglichkeit einer kompletten Versorgung der Bundesrepublik mit "grüner", nachhaltig erzeugter Energie längst vor 2050. Was bisher utopisch klingt und den konventionellen Energieversorgern Schweißperlen auf die Geschäftsberichte tropfen lässt, weil sie die entsprechenden Unternehmen noch nicht unter Kontrolle haben, hält der wissenschaftliche Geschäftsführer des Deutschen Biomasse-Forschungszentrums in Leipzig, Frank Scholwin, für realistisch. Im Zuge der Energie- und Umweltmessen Terratec und Enertec, die im messeeigenen CongressCentrum von Minister Norbert Röttgen eröffnet wurden, finden nun auch in der lvz in dem Text von Birgit Schöppenthau grüne "Visionen" Platz. Es dauert lange, bis der wirtschaftsfreundliche Aspekt der grünen Energie auch in die Redaktionen Einzug hält, auch wenn längst über die arbeitsplatzschaffende und insbesondere langfristig einzig vernünftige Form der Energieerzeugung Übereinstimmung herrscht. Manche traditionellen Lobbyistengruppen halten nun mal dagegen. Werden aber schwächer.

Und noch ein erstaunlicher Artikel in der dienstags-lvz. Ein Interview der redakteurInnen Ines Christ und Andreas Dunte mit dem früheren kanadischen Botschafter in Deutschland, Paul Dubois. Dabei räumt Dubois mit ein paar gern bis in höchste Ämter gepflegte Stammtischwahrheiten auf. Als erstes meint er, dass Deutschland Einwanderer brauche, nicht Zuwanderer. Den Unterschied macht der deutsche Pass. Einwanderer sollen/können deutsche Staatsbürger werden, Zuwanderer nicht. Zum Unterschied gehört dann auch, dass die Einwanderer Pflichten hätten. Dabei sollten sie "wirklich mit offenen Armen empfangen werden." Deutschland solle sich "von dem Gedanken verabschieden, dass man sich Emigranten aussuchen" könne. Schließlich: "Um das Problem global zu begreifen, sollten sich Politiker in die Rolle von Auswanderern versetzen."
Auch, wenn Dubois aus langjähriger Tätigkeit als Diplomat stets die Blickwinkel der wirtschaftlichen Prosperität, vielleicht besser: prosperierenden Wirtschaftunternehmen, einnimmt, plädiert er aus Vernunft für "nachhaltige Entwicklungspolitik".

In der lvz kultur gönnt man sich derweil einen sorgsam gehegten Spielplatz für die Gefühle und das Kind im Manne. Mark Daniel erinnert voller Wehmut an den soeben verstorbenen, markanten deutschen Schauspieler, der als "Lederstrumpf" nicht zuletzt für Kinder väterliche und abenteuerliche Attribute gleichermaßen verkörperte: Hellmut Lange. Daniel beschreibt seine "wunderbar dunkle, volle" Stimme, die "Raum und Herz füllte", als "tief und warm", "Schutz" gab, "Geborgenheit" vermittelte. Kraftvoll war. Für Entschlossenheit stand. Bis Lange an Demenz erkrankte.
Mit einer aus Wikipedia geplünderten Biografie werden noch Zeilen geschunden. So what. Rührend ist allein das Sentiment, mit dem Daniels eigene Kindheit von neuem golden zu strahlen beginnt. Wer dem lvz redakteur was Gutes tun will, schenkt ihm am besten eine neu aufgelegte Abenteuerhörspiel-CD der Marke Europa. Die, mit der Stimme von Hellmut Lange.

Heute hat die lvz kultur reichlich Platz zu vergeben. Auch die Wintertanzgala der Musikschule Leipzig, präsentiert im prallvollen Centraltheater, findet sich prominent platziert auf der ersten Kulturseite wieder. Nein, man muss kein Spielverderber sein, um zu fragen, ob der Artikel nicht doch ins Lokale gehört. Da kann  lvz redakteur Peter Korfmacher noch so nett Klavier spielen, den Ruch der Käuflichkeit im übertragenen Sinn wird man beim Lesen des Artikels von Heike Bronn schwer los. Peinlich.
Die "kind- und themengerechten Choreographien", manche "originellen" Kostüme, die "spielfreudigen" Jugendlichen, die "süßen" Vorschulklassenhühnchen - für eine Kulturberichterstattung fehlen jegliche Kategorien, die mehr als nur wohlmeinend sind, geschweige zu bewerten vermögen. 150 junge Tänzerinnen und Tänzer sollen den "hohen Ausbildungsstand" des Fachbereichs der Musikschule demonstrieren. Und geben gerade keine eigenen, den Jugendlichen oder Kindern selbst entsprungenen Ausdrucksweisen wieder. Und verkörpern vor allem domestizierte Kinder- und Jugendkultur. Die Überbleibsel einer ehemals propperen Bildungsbürgerschaft mögen so etwas.

Es ist nicht allein die "Krokodils-Penis-Prüfung". Nina Mays heutiges "ausgepresst" ist leider nur etwas für Insider. Man muss das RTL-Camp gesehen haben. Und gehört damit anscheinend der Minderheit an, die eine Nominierung zur Liveberichterstattung aus Australien bisher nicht geschafft hat. Aber etwas lustig hätts trotzdem sein dürfen...

Der Mitbegründer der DEFA, Filmregisseur und vieles andere, Kurt Maetzig, ist 100 Jahre alt geworden. Norbert Wehrstedt hat ein Interview mit dem ehemals und auch heute noch überzeugten Propagandisten auf Zelluloid geführt. Eine solche Lebenserfahrung, wie sie Kurt Maetzig verkörpert, hat etwas Erratisches. Mit Meinungen, subjektiven Erwägungen, kritisch gemeinten Nachfragen kommt auch Wehrstedt dem Verfechter "des kleineren Übels" nicht bei. Maetzig pflegte Zeit seiner Karriere seine individuelle, parteiloyale Haltung, zumindest solange, bis einmal, 1965, auch ein Film von ihm verboten wurde. Anders als bei anderen Autoren, Regisseuren, Arbeitern, nahm Walter Ulbricht nach erfolgter "Selbstkritik" des Regisseurs von "Das Kaninchen bin ich" den Künstler "väterlich-verzeihend" in die Arme. Doch vorher hat auch Maetzig erfahren, was Angst bedeutet. Angst vor "Verhaftung und Prozess." Sympathischerweise macht er kein Hehl aus seiner ängstlichen Natur. Folgerichtig bedeutet Maetzig nicht nur heute Solidarität mehr als Freiheit. Bis "die Sache", so sagt er tatsächlich, eingeführt war, durfte die Freiheit eingeschränkt bleiben, auch Gewalt war sinnvoll. Erst danach konnte "die Übergabe" der Freiheit "an alle" erfolgen. Dass Maetzig auch nach seinen eigenen Erfahrungen mit der Staatsmacht, die eine ganz klare Erwartung an den Staatsbürger hatte, bei seiner Überzeugung blieb, ist nur noch mit Idealismus einer betonharten Schale - oder eben Angst vor der Angst - zu erklären. Aber das Leben deformiert viele, die nur "das Gute" wollen.

2 Kommentare:

  1. Liebe Athene,
    ich bin sehr gerührt von Ihrem Appell, mir Abenteuer-Hörspiele von Helmut Lange zu schenken. Aber bevor einer ernst macht: Ich habe sie alle, ALLE! :-) Ihr treuer Leser Mark Daniel

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  2. Lieber treuer Mark Daniel,
    deshalb! Jetzt verstehe ich alles;-)
    Herzlichen Gruß zurück, athene

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