Mittwoch, 26. Januar 2011

lvz kultur vom 26.1.11.: Wutbürger im Konzertsaal. Bernd Eichinger. Siegfried Matthus. Peter Paul Zahl.

Ist was? Guttenberg läßt noch nachdenken. Droht ein Karrieresturz? zu G. erinnert sich nun doch an Rosenheim. Kleine Quälspiele, nichts Schlimmes. Findet er. Reicht das nicht sogar für eine Mitleidstour? Oder spricht das wieder nur gegen ihn? "Wenn BILD nur meine Nacktfotos nicht findet." Ach was. Macht alles hart.
Das können die letzten, zum 3. Januar gezogenen Wehrpflichtigen in Anita Keckes Reportage auch brauchen. So ein wenig knackige Adelshärte. "Haben hier gerade die erste Nacht im Freien verbracht." Tagebucheintrag von Rekrut T. "Das war schon hart. Winterkälte." War Rekrut T. am K2? Am Nanga Parbat? Am deutschen Schick-sals-berg? Ach, was. Der Fran-ken-berg in Sachsen wars. "Aber wir haben das gut überstanden." RTL wird einen Fünfteiler draus machen. Besonders der soziale Aspekt, "da helfe man sich gegenseitig", gibt den letzten Kick - nix isses mit fiesen Vorgesetzten und "Mast entern, Toppsegel hissen". Höhenangst am Frankenberg endet nicht tot auf Deck. Sie endet weich in einer Sandkuhle. Wie beim Franken zu Guttenberg.

Der Produzent Bernd Eichinger ist gestorben. An Herzinfarkt beim Essen, im Kreis der Familie. Mit 61 Jahren. Das ist es, was uns Angst macht. Und Norbert Wehrstedt? Macht daraus Literatur. Denkt er. "Der Tod kam aus heiterem Himmel." Das ist ungefähr die Baumgrenze beim Zauberberg. Danach wirds nur noch öde. Und merkwürdig. "Der Tod kam wie aus einem Filmskript." Nichts da. Wehrstedt missbraucht den Tod Eichingers für eine feuilletonistische Anekdote, selbstbezüglich, egozentrisch, manisch. Schließlich: "Der Abgang eines Zampanos. Der opernreife Abtritt..." Gruselig. Das ja gerade nicht! Eher das kleine Kammerspiel. Sinkt seiner Frau, von der er sich gerade scheiden lassen will, sterbend in den Arm. Oder doch: Kopf in der Soßenschüssel. Groteske. Bratenspieß im Arm der Nichte? Farce. Oper? Hätte große Dramaturgie draus gemacht. Tochter enterbt. Flieht nach Gewehrschüssen auf als schwul erkannten Ehemann. Vater bricht zusammen. Aber hier bahnte sich garnichts an, Wehrstedt!
Leider versteht er von Dramaturgie wenig bis nix. Aber von Bildern. Großen Bildern. Und Sentiment. Wie Bernd Eichinger. "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", "Im Namen der Rose", "Das Geisterhaus" und und und. Am Ende wollte er noch an jedem Rad drehen. Schade drum.

Nina May presst. Aber Witz quetscht sich nicht zwischen den Zeilen hindurch. Aus der "Traum vom Gönner". Eine Million eines anonym bleibenden Spenders für Görlitz. Wie jedes Jahr. Und jedes Jahr gibts auch andere Bedürftige. Die Stadt Leipzig. Das Literaturarchiv Marbach. Denen, ja, fehlt das Geld. Nicht dem Museumsdorf Gööörlitz. So weit so lasch. Doch Mays Text schwächelt. Zum letzten Absatz. Der switch vom brav Referierenden zum Dramatischen, Situativen gelingt nicht.

Zur Abwechslung ein Jubiläum. 100 Jahre Rosenkavalier. Vorabend des Ersten Weltkriegs. Ende einer Epoche. Ein genialer Hofmannsthal schreibt, Richard Strauss "komponiert wie Öl und Butterschmalz". Eine heitere Spieloper. Scheinbar. Uraufführung an der Semperoper. Musikalisch keine "radikale Abkehr von der Moderne", bei "genauem Hinhörten" ist der Rosenkavalier "ein ziemlich gnadenloses Zeitbild einer Gesellschaft, die sich in narzisstischem Taumel um sich selbst dreht." Sagt Boris Michael Gruhl. Und Hugo von Hofmannsthal? Schreibt: "Strauss tut mir so leid, der große starke grobe und halb überfeinerte Mensch, der dem Weinen so nahe war." Und Clemens Meyer?

Bürgerwut in Sachsen: Bonbonpapier. Reißverschlüsse. Husten. Missmut in der Pause. In der sächsischen Musikstadt ist das Neue nicht Stuttgart 21, sondern "ein geistvolles Stück für Saxophonquartett und Orchester" von Siegfried Matthus. Das Volk erschrickt vor einem "keinesfalls erschreckenden saxophonischen Märchen", das "unterhaltsam, pointiert, geistvoll und hochgradig musikantisch" ist, wie Tatjana Böhme-Mehner schreibt. Das Akademische Orchester, Stefan Stoporas Schlagzeugklasse, die Solisten des sonic.art Saxophonquartett. Pianistin Kiveli Dörken. Alle phantastisch. Das Leipziger Publikum? Durchgefallen.

Der Schriftsteller Peter Paul Zahl ist tot. Freiheit und Glück waren seine Maximen. In Deutschland fand er sie nicht. Statt in Zahls Lebenslauf einen roten Faden zu finden, finden zu wollen, kolportieren Wolfgang Harms und Klaus Blume auf billigste Weise möglichst reißerische Versatzstücke aus einem abenteuerlichen Leben. Mehr als primitivste kleinbürgerliche Fantasien lockt die Vielzahl der in Bildschlagzeilen längst massakrierten Worte nicht hervor. Passfälscher, 2.Juni, Schießerei mit Polizisten, antiautoritär, Aussteiger, Jamaika, Reiseführer, Kochbuch, Abgründe der guten Gesellschaft, setzte Gesetzesbrechern ein Denkmal, floh vor dem Wehrdienst, Häftling, Regie-Volontariat, Georg Elser, Hans Martin Schleyer, Skandal, Krimiautor , alles, um am Ende bei einem modernen Robin Hood zu landen.
Ein einziger Absatz liest sich interessant:
"Während der Terroristen-Fahndung geriet Zahl 1972 in eine Polizeikontrolle, wollte fliehen, und griff zur Waffe. Zwar wollte er zur Seite geschossen haben, doch ein Beamter wurde getroffen. "Ich war kein Terrorist", sagte der Autor 2002 in einem Zeitungsinterview. Von den vom Gericht verhängten 15 Jahren Haft rechnete er zwölf als "Polit-Zuschlag."

Intendantin Kirsten Harms inszenierte an der Deutschen Oper Berlin ihre letzte Oper: Richard Strauss' "Liebe der Danae". Gerald Felber schreibt, "Am Ende kann der Besucher freundlich nicken, weiß aber dennoch, dass das keiner jener Abende ist, an die man noch nach Jahrzehnten denkt; auch das steht, pars pro toto, ein wenig für die gesamte Harms-Zeit." Allein die Darstellerin der Danae, Manuela Uhl, riskiert "lieber eine ungleichmäßige Linie, als in ihrer Intensität nachzulassen" und "dreht die Bilanz des Abends ins Plus."

"Schiffe versenken"-Spieler Rolf Stiska mäandert in gallertartigen Sätzen um sein Thema und kommt zu dem Schluss: "Noch ist das Thalia Theater Halle nicht gerettet."

Comedian Oliver Polak in Horns Erben: "Irgendwelche Minderheiten hier? Schwule? Schwarze? Ossis mit Job? Ich verstehe ja, dass ihr sauer seid auf uns Juden. Ihr habt ja nicht mal einen eigenen Staat."

1 Kommentar:

  1. Zahn und sein Kochbuch? Mittlerweile ist dies doch die einzige Chance, in Deutschland als Autor erfolgreich arbeiten zu können...

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