Dienstag, 11. Januar 2011

lvz kultur vom 11.1.11: Anne Wills 60-Minuten-Ei. Fuchs, die Thomaner & die lvz

Michael Fuchs kann nichts dafür. Es ist die lvz redakteurin Katrin Henneberg, die diesen überflüssigen Aufmacher auf den Kulturseiten über eine "nicht nur Koryphäe, sondern auch dem Thomanerchor beruflich eng verbundene" Person geschreibselt hat: Einen Facharzt für HNO-Heilkunde, Phoniatrie und Pädaudiologie (von denen der Allgemeinwissende vermutlich nicht den Hauch einer Ahnung hat und erhält). Zum Glück ist die lvz dem Thomanerchor "beruflich eng verbunden" und wer wem noch beruflich und wirtschaftlich eng verbunden ist, möchte man eigentlich garnicht wissen. Zu unappetitlich ist diese Gemengelage. Wenn es nur wenigstens ein interessanter Artikel wäre!! Nichts da. Einen so uninspirierten Schulaufsatz wie ihn Katrin Henneberg da über einen sicher respektablen Mediziner verbrochen hat, leistet man sich nicht mal 10 oder 20 Seiten weiter hinten in der lvz, wo auf den Stadtteilseiten neben den Artikeln über Tomatendiebe auf dem Wochenmarkt sogar immer mal wieder Perlen auftauchen. Es ist nur so quälend, sich durch all den Winterschlussverkauf des Schreibgewerbes zu wühlen. Da kann man dem selbst gesetzten Anspruch, sich über Katzengold zu freuen, doch untreu werden.
Wie Prof. Fuchs als Dötz anfing, täglich fünf Minuten den Staub von den Flügeln der Thomanerschule hinwegzuwedeln, dass ihm der "extrem straff organisierte Tagesablauf im Chor" als Klinikarzt sehr geholfen hätte, dass er schließlich bei Ergreifen eines ordentlichen Berufes das Singen als Hobby weiterführen konnte, heute leider nur noch zu Kinder- und Wiegenliedern komme, dass Prof. Fuchs die Thomaner-Kinder nach der "Mutation", dem Stimmwechsel in der Pubertät, begleite, und nicht zuletzt, dass der gute Professor sich dank seiner Frau "auch populären Stilen geöffnet" habe und was dergleichen überflüssige Informationen mehr sind. Wäre der Artikel auf gut die Hälfte eingekürzt auf der Wissenschaft-/Uniseite erschienen oder in der Rubrik Familienleben, hätten sich sicher ein paar interessierte Leser gefunden. Dieser schmierige, belanglose und langweilige Beitrag zum Thomanerjubiläum (welchem auch immer) ist ein Elend, Pressemissbrauch ohne Rüge, ohne Unterhaltungswert und Mindeststrafe.

Dass Jürgen Kleindienst aus alter Gewohnheit verbunden mit dem Verschlampen der Fernbedienung nach dem Sonntags-Tatort bei Anne Will hängengeblieben ist, lässt er nun unter dem Titel "60-Minuten-Ei" an allen dem Verbalgemetzel hilflos ausgesetzten "ausgepresst"-Lesern aus. Texte, in denen die Wortungetüme Schnittlauch, doof, und Peter Hahne auffällig werden, gehören eh schon unter verschärfte Erziehungsmaßnahmen gesetzt. Wenn diese noch mit Geflügelfunktionär, Respekt vor Mensch und Tier und total scheiße vermengt werden, ist der Untergang des Abendlandes oder die Glosse der lvz nicht weit. Am Ende wirbt jkl sogar noch mit dem Nachfolger des Kolumbus, der womöglich den Seeweg von Indien nach Leipzig gefunden hat. Autogrammjäger finden sich bitte umgehend im Lindenauer Hafen ein.

Das Jugendsinfonieorchester der Musikschule hat mit dem MDR Sinfonieorchester unter Leitung von Jun Märkl Tschaikowskis Vierte aufgeführt. So weit so gut. Dass Birgit Hendrich aus dieser schlichten Tatsache, und dem Umstand, dass dem JSO und seinen Spielern seine "Grenzen" aufgezeigt wurden, eine Baklavaklebrige Textsuppe kocht, in der eine Zeile in die nächste zäh fließt, ist vermutlich immer noch dem Sonntagsnachmittagslikör zu verdanken. Wenn die lvz demnächst die "Un-Sätze" des Jahres prämiert, gehört der folgende sicher zu den ernstzunehmenden Kandidaten: "Im Lento werden die Gefühle mit Müller-Schott dreidimensional, ganz leise und weich, fließen Holz und Streicher parallel, bevor sie im Adagio punktgenaue Akzente setzen." Ähnlich orientierungslos in Raum und Zeit muss Kolumbus' Segler Santa Maria zwischen den Bahamas herumgeirrt sein. Hendrich lässt schließlich mit höchstem Pathos die kulturelle und erzieherische Spitzenleistung des Gohlis-Süd-Nachwuchses in ihrem Text auströpfeln: "Das unbeschreibliche Gefühl, mit Hilfe der Großen über sich hinausgewachsen zu sein."

Ariane Bach, Linda Bögelein, Wiebke Eichler und Marius Emsel haben drei Monate zu spät einen Artikel über die Auswirkungen der Novelle des Kulturraumgesetzes in Dresden respektive Leipzig geschrieben. Er lässt sich kurz und bündig mit "Der Teufel scheißt auf den größten Haufen" umschreiben und gipfelt in der Erkenntnis der Dresdner Kulturstadträtin Crista Müller von der CDU: "Dresden kann doch nichts dafür, dass beispielsweise die Kunstsammlung und die Semperoper nun einmal hier gegründet wurden."

Nina May hat "ergänzend zur herausragenden Halbzeitbilanz der Saison 2010/2011" des Theaters der Jungen Welt (89,2% Platzausnutzung, Silbermedaille für die 25.240 Zuschauer bis Ende Dezember, nur 21 Hundertstel hinter der erstplatzierten Saison 2007/2008), mit Intendant Jürgen Zielinski gesprochen. Aus Gründen der "Entlastung der Schauspieler" sowie aus künstlerischen Gründen, meint Zielinski, brauche das Leipziger Theater dringend eine Spielstätte für 100 Personen.

Das erste Theaterstück der Schauspielerin Marie Bäumer, die Szenencollage "Abschied", bei der sie auch selbst Regie geführt hat, scheint seinen Höhepunkt bereits vor Aufleuchten des ersten Scheinwerfers gehabt zu haben. Ein "Schrei, schrill und verzweifelt", hallte durch die noch dunklen Hamburger Kammerspiele. Die beinahe einzige eindrückliche Szene, die Jenny Tobien in dem Stück über die Trauer nach dem Tod des Liebespartners für die lvz bemerkt hat. Ansonsten: Ein Stück, "nicht wirklich mitreißend und bewegend."

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