Dienstag, 4. Januar 2011

lvz kultur vom 4.1.11: Suter & die Oper, Intendantenkarussell & Moses Mendelssohn

Martin Suters Romane sind Bestseller. Sie geben der herrschenden Dekadenz, besser gesagt, den besseren Kreisen, ein Bild. Und im jüngsten seiner Romane, "Allmen und die Libellen", ist der Protagonist gar die personifizierte Finanzkrise. Ein Millionär, wurscht, ob in roten oder schwarzen Zahlen, der seine genialsten Ideen dabei bekommt, seinen Bankrott noch etwas hinauszuzögern. Janina Fleischer garantiert einen unterhaltsamen Gesellschaftsroman. Keinen Krimi, wie von Suter versprochen. Dafür "der Untergang des Abendlands in schillerndem Licht." Die Oper Leipzig sollte den Roman seiner Marketingabteilung zur Pflicht machen, wenn sie ihn nicht ohnehin schon gelesen hat. Nicht nur, weil gezeigt wird, wie mit einem Minus umzugehen ist, sondern, weil auch hier vornehm die Welt zugrunde geht: Das letzte, auf das bei Suter der Held in seinem Leben zu verzichten bereit ist, ist das Opern-Premierenabonnement. "Erst, wer sich das nicht mehr leisten kann, ist wirklich pleite." Vielleicht kann sich das Opern-Marketing das Buch ja in der Stadtbibliothek Leipzig ausleihen, wenn Herr von Maravics keinen Anschaffungsetat mehr genehmigt. Es sei denn, OBM Jung hat Michael Faber angeordnet, den jüngsten Suter-Bestsellers aus dem Buchbestand der Stadtbibliothek (für die ist Faber weiterhin zuständig!) entfernen zu lassen. Dienstanweisung. Aus übergeordneten Gesichtspunkten. Wegen Nachahmungseffekten.

Auch dem Theater Gera-Altenburg, zumindest Matthias Oldag, ist die Lektüre des Suter-Romans zu empfehlen. Laut Landrat Sieghardt Rydzewski "ist die Insolvenz des Hauses längst nicht abgewendet." Rydzewski, der laut dpa droht, dass, wenn am gegenwärtigen Intendanten Oldag festgehalten werde, würde das Altenburger Land seine Zuschüsse kürzen. Tja, und wenn die Gesellschafter nicht sämtlich zahlen, wird das auch das Land Thüringen nicht tun. Keine guten Aussichten. Wie wärs mit der Uraufführung der Dramatisierung des Suter-Romans/Krimis? Damit kann Oldag die Insolvenz vielleicht noch etwas hinausschieben?

Oder er bewirbt sich gleich bei den Landesbühnen Sachsen. Seitdem Intendant Christian Schmidt deutlich gemacht hat, dass er die vom Land diktierte Umwandlung in eine GmbH nicht mitmachen wird, ist die Intendanz neu ausgeschrieben worden. Und wenn Oldag nicht will, vielleicht kann Chefdramaturg Karl-Hans Möller ja ein gutes Wort für seinen ehemaligen Chemnitzer Chef Rolf Stiska einlegen? Der hat ja schon zwei Jahre Erfahrung (einschließlich drohender Insolvenz) mit einer GmbH an der TOO Halle/Saale. Nur schade, dass die Landesbühnen Sachsen kein Kinder- und Jugendtheater haben, das als fünftes Rad am Wagen schon mal prophylaktisch abgeschraubt werden kann.

Peter Korfmacher macht sich in ausgepresst moderat lustig über den Klimarealismus der Evangelischen Kirche. Lächerliche 1 Mio Tonnen CO² sollen die Mitglieder der Mitteldeutschen Evangelischen einsparen. Macht summa summarum laut kfm 15,5 Auto-km für jedes Kirchenmitglied. Bis 2. Oktober! Ehrlich, da springt ja noch nicht mal der Kilometerzähler an. Aber! Korfmacher hat - schlau schlau - bereits begriffen, dass nicht CO², sondern CH4 das Elend in die Welt bringt. Methan! Die Bösen sind die Rinder! Ackerbau und Viehzucht! Müllfäulnis! Will kfm das Freitagsfasten wieder einführen? Hat er bereits mit seiner lvz Kantine gesprochen? Was sagt Holger Zastrow dazu, Intimfreund des chefredakteurs Hilder und Intimfeind der Evangelischen Kirche? Kein fasten? Was nun? Da bleibt Korfmacher wirklich nur, Vegetarier zu werden, leidenschaftlich in der lvz für das Gute in der Welt zu fechten und ein Vöner-Abonnement in Plagwitzs Vleischerei zu bestellen.

Ulf Heise schreibt über den "Luther der Juden", Moses Mendelssohn. Der aufgeklärte Jude, der vor 225 Jahren gestorben ist, war es, durch den eine neue Ära in Deutschland eingeleitet wurde und die jüdischen Mitbürger in Deutschland "das Ghetto verließen, in die europäische Kultur eintraten und eine Kultur- und Sozialgeschichte begründeten." Der sanfte Geistesriese, der Ende des 18. Jahrhunderts auch von dem französischen Revolutionär Graf Mirabeau verehrt wurde, sei ein Mann "mit einem schwächlichen und sogar kränklichen Körper" gewesen. Ein solcher Geist in einem solchen Körper - das bedeutete für die Nazis aus vielerlei Gründen schlicht Hochverrat. Doch auch die Preußische Akademie der Wissenschaften war noch nicht reif für die jüdische Emanzipation. Sie vereweigerte Mendelssohn, auf Intervention Friedrich II., die Aufnahme.

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