Freitag, 15. Oktober 2010

lvz kultur vom 15.10.10: Hitler und die Deutschen, Literarischer Herbst & Lachmesse

Maja Zehrt berichtet über die erste Ausstellung, die sich speziell "mit Hitler, seinem Leben und Wirken" beschäftigt. Unter dem Titel "Hitler und die Deutschen - Volksgemeinschaft und Verbrechen" hat sich das Deutsche Historische Museum in Berlin der Frage nach der "wirklich wahrsten Wahrheit über" Adolf Hitler genähert. Dass es eine "quasi-religiöse Beziehung" zwischen "Volk" und "Führer" gegeben habe, ziehe sich "wie ein roter Faden" durch diese Ausstellung. Eine Möglichkeit "zur Identifikation" wolle sie aber vermeiden. Aus der "großen Angst" davor entstünde, so Zehrt, "die Furcht der Kuratoren vor ihrer eigenen Courage". Auf der einen Seite wollen sie "Hitler als Mensch" zeigen, auf der anderen jeden Alltagsgegenstand möglichst so weit verfremden, dass eine emotionale Beziehung nicht in Frage kommen könne. Scheinbar die Quadratur des Kreises. Der Grundgedanke, um dem Dilemma halbwegs zu entgehen, scheint zu sein, alle Exponate in einen Bezug zum Ende des "Führer-Staats" zu setzen.

Kann die Ausstellung in ihrem "großen Ernst" überhaupt etwas von dieser Beziehung begreifbar machen und doch kritische Distanz wahren? Oder wird die Person Adolf Hitler durch diese Schau ohne es zu wollen doch wieder mystifiziert? Auf ein Podest gestellt? Interessant zu registrieren, dass in dem gesamten Artikel von Maja Zehrt der name Adolf Hitler niemals durch ein anderes Synonym ersetzt wird, als "der Führer". Wieviel Glorifizierung schimmert ungewollt daraus hervor? Er ist kein Diktator, kein Ver-Führer, nicht einmal ein Herrscher. Er ist scheinbar weiterhin der Führer, der die Volksgemeinschaft anführt. So, wie sich fast jeder Vierte in Deutschland heute "eine einzige starke Partei wünscht, die die Volksgemeinschaft verkörpere" und sich 13% wieder "einen Führer" zurückwünschen, der Deutschland "zum Wohle aller mit starker Hand regiert".
Folgt man dem Artikel von Maja Zehrt, wird in der Ausstellung nicht wirklich deutlich, warum es diese enge Beziehung Hitlers zur Bevölkerung gab. Allerdings, dass es sie gab - und für viele wohl heute noch gibt. Und wer darüber geschockt ist, hat wohl tatsächlich keine Ahnung. Zehrts Eingangssatz des Artikels zeigt das sehr schön. "Warum denn wieder eine Hitler-Ausstellung" habe sich Kurator Ulrich Thamer im Vorfeld öfter anhören müssen. Obwohl es doch die erste überhaupt sei, wie er rechtfertigend meint. Fühlen sich viele bei etwas ertappt? Wollen selbst von anderen nicht hinterfragt werden? Ein Thema, das sie heute noch umtreibt, nicht kritisch beleuchtet sehen?
Eine Haltung, die der ähnelt, wie sie viel zu viele Menschen heute gegenüber Rechtsextremismus oder auch der DDR-Vergangenheit einnehmen.

Ansonsten herrscht eher Ebbe im Kulturteil, obwohl doch gestern noch Mark Daniel in der Szähne den Eindruck des Gegenteils erwecken wollte. Ein etwas farbloser Bericht von der Lesung Katja Lange-Müllers beim Leipziger Literarischen Herbst, den Herbert Kästner vom veranstaltenden Leipziger Bibliophilen-Abend als "Wunder" bezeichnen möchte angesicht der gegenwärtigen Schließungsdebatten, nunja.
Die Ausstellung "Ereignis Druckgrafik" in der Galerie Vorort Ost scheint bei Christine Dorothea Hölzig mehr Fragen nach dem Sinn und Zweck ausgelöst zu haben, als Faszination über die ausgestellten Künstler und Werke. Die seien in der Mehrzahl ohne Spannung und besondere Ausstrahlung.
Über die geradezu zwanghafte und symbiotische Berichterstattung über die Lachmesse, heute von Jenifer Hochhaus über zwei Ausstellungen zu "20 Jahre Lachmese", lohnt es sich eher nicht, Worte zu verlieren. Bagatellen. Zeilenschinderei. Verlagspolitik.

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