Freitag, 20. August 2010

lvz kultur vom 20.08.10: Webcomedians, Mein Kampf, die Leipziger Schule und, ach Mensch, die Liebe!

Das musste ja kommen. Wahre Komödianten machen vor keiner Nische halt. Mitten unter 144 Millionen Treffern, die Google unter den Begriffen Youtube und Comedians ausspuckt, gibt es tatsächlich Perlen. Nina May hat sie gefunden. John Lajoie zum Beispiel, der einen abgerissenen Künstlerromantiker mimt, der in seiner "WTF Collection" getauften Serie den Rapper MC Unsicher darstellt mitsamt der schönen Zeile: "Ich bin es nicht wert, auf diesem Video zu sein, deshalb tue ich jetzt so, als wenn ich mir den Knöchel verstaucht hätte." Auch "Gesellschaftskritisches" über die Heuchelei nach Michael Jacksons Tod hat die May bei ihm gefunden. Nachhilfe in "Comedynetzkultur" biete das Portal Wikihow Hilfe, das in zehn Schritten den Weg zum erfolgreichen Comedian verspricht, inklusive Ratschlägen zum Hochladen der Videos. Darunter auch: "Mach keine verletzenden Witze, niemand mag das, weißt du". Youtube belohnt die erfolgreichen Videohochlader und Abonnentensammler mit Beteiligungen an eingeblendeten Werbebannern, umgerechnet mit ca. 10 Cent pro.
Esteban Engel schreibt über eine Untersuchung zum Leseverhalten der deutschen Bürger zwischen 1933 und 1945: "Lesen unter Hitler - Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich". Was spannend zu werden verspricht, entpuppt sich im Text als langweilige Faktensammlung, die Hitlers "Mein Kampf" (Spitzenreiter mit 12,5 Mio Auflage) neben den Ratgeber "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" (1,2 Mio), Karl Mays Werke oder Margaret Mitchells "Vom Winde verweht" (366000) aufführt. Mäßig erhellend einzig, dass das unkoordinierte Nebeneinander der etwa 50 Zensurstellen Kompetenz-Wirrwarr im Nazideutschland belegen und wahrhaft gewiefte Verlage in dieser Zeit den Grundstein zum späteren Erfolg legten, darunter C. Bertelsmann in Gütersloh.
Thomas Mayer berichtet darüber, dass Leipzig ab 11. September im ehemaligen Wohn- und Atelierhaus von Werner Tübke eine neue Galerie mit Werken der Leipziger Schule erhält. Der Frankfurter Kunstsammler Fritz P. Mayer, der bisher Wert auf strenge Diskretion legte, stiftete bereits mehreren Sammlungen ungenannt Bilder. Nun ist er zu der Überzeugung gekommen, dass insbesondere die Leipziger Schule (und er selbst) eine größere Präsenz in der Öffentlichkeit verdiene und nicht, wie im neueröffneten Dresdner Albertinum, nur eine marginale Rolle.
Über eine Werkschau des 2004 verstorbenen Leipziger Künstlers Günter Albert Schulz durch den Anhaltischen Kunstverein Dessau schreibt Christine Hochstein. Der zurückgezogen lebende und arbeitende Künstler wird mit Bildern aus sechs Jahrzehnten und in ganz verschiedenen Schaffensphasen präsentiert. In seinen Werken folgte er den Emotionen des Augenblicks ("Erst malen, dann denken"), sie seien Meditationsobjekte, "die das innere Bild sichtbar machen".
Und Mathias Wöbking findet in der Melancholie eines verregneten Sommers mit einem "Element of Crime"-Konzert auf der Parkbühne das passende Gegenstück. Die Kummerlieder des "kauzigen" Sven Regener lasse die wundervolle Musik des Kammermusik-Country-Ensembles "selbst in ihren Dur-Momenten nach Moll klingen". Und dann das Thema ("Ach Mensch, die Liebe"): "Ganz egal, woran ich gerade denke. Am Ende denk' ich immer nur an dich". Wovon soll der Mensch bloß noch singen, wenn er in einem Jahr die 50 erreicht?

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