Freitag, 26. November 2010

lvz klultur vom 26.11.10: Tillich in Katar, Theatrium in Grünau & Einheitsmonument

Ministerpräsident Tillich hat gut lachen. Der Smiley hat in AbuDabhi und Katar ein straffes Programm hingelegt und viel Lob für seine Werbetour auf der arabischen Halbinsel geerntet. Zumindest bei André Hahn, Fraktionschef der Linken. Der ist laut Jürgen Kochinke beeindruckt, wie sich Tillich für sächsische Unternehmer einsetze. Die allerdings sehen das anders. "Politik und sächsische Unternehmen seien nicht verzahnt, die Wirtschaft nicht einbezogen worden." Jammern auf hohem Niveau? Jedenfalls beklagten die Unternehmer gegenüber dem Geschäftsführer der sächsischen Wirtschaftsförderung, Tillich und sein politischer Tross "seien nicht genügend auf ihre Bedürfnisse eingegangen." Im Visier der Verhandlungen standen eine neue Fluglinie Doha-Leipzig und ein Umbauauftrag für die Elbe Flugzeugwerke. Profitieren denn nur die Großen?

Über das neue Theatrium in der Alten Salzstraße 59 berichtet Mark Daniel. Geschäftsführerin Beate Roch schwärmt von den künftigen Möglichkeiten des Spielorts: "Wahrscheinlich sind wir das bestausgestattete Amateurtheater Deutschlands." Auf einer Fläche von 695 m², die einen 80-Plätze Bühnenraum mit beeindruckender Ausstattung, zwei Probebühnen, einen Fundus und eine Werkstatt umfassen, will die neue Leiterin Sandra von Holst ab 6. Dezember mit der Wiederaufnahme des Weihnachtsmärchens "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" den Spielbetrieb starten. Doch Kulturamtsleiterin Kucharski-Huniat, die von dem "Vorzeige-Beispiel" Theatrium schwärmt, sieht die eigentliche Arbeit des Theatriums im Problemstadtteil Grünau in der kulturellen Bildung. In diesem neu installierten Ressort ihres Amtes ist das Jugendtheater nun eingegliedert, nicht mehr im Bereich Darstellende Kunst. Den Umbau des Gebäudes hat sich die Stadt Leipzig 1,2 Mio. € kosten lassen. Glückwünsche zur Eröffnung!

Armin Müller-Stahl hatte bereits beim jüngsten Spinnerei-Rundgang mit seinen Malereien in der lvz viel Publicity erhalten. Nun promoted der international erfolgreiche Schauspieler in der lvz eine CD mit Songs, die er in den 60er Jahren in der DDR nicht veröffentlichen konnte. Gemeinsam mit Freund Günther Fischer habe er "versucht, die bedrückenden Gefühle von damals musikalisch heiter rüberzubringen", schreibt Nada Weigelt. Das stellt man sich tatsächlich komisch vor. Außerdem veröffentlicht der Aufbau-Verlag zum 80. Geburtstag des Künstlers ein Buch unter dem Titel "Die Jahre werden schneller", in denen Songtexte und Gedichte Müller-Stahls aus den vergangenen Jahrzehnten verewigt sind, eine Art "Autobiographie in Versen". Müller-Stahl, der seit je in beiden deutschen Teilstaaten auftreten durfte, gehörte trotz zeitweiligen Repressionen nach der Unterschrift unter die Resolution gegen die Biermann-Ausbürgerung 1976 zu den privilegierten "Exportschlagern" der DDR.

Die Renaissance des Christentums ist unter anderem daran festzumachen, dass sich der evangelische Bischof Huber öffentlich über die "Banalisierung des Heiligen" beklagen kann, die zum "festen Repertoire der Opernregisseure" zähle. Janina Fleischer fragt in "ausgepresst", ob Huber schlicht etwas eifersüchtig auf den Islam sei, dem in Deutschland angeblich "mit mehr Respekt begegnet werde als den religiösen Gefühlen der Christen". Wahrscheinlich steigt der "Respekt" vor den Evangelen, wenn die ersten Kommandounternehmen in Luthers Namen eine Kantinenbesetzung der Deutschen Oper Berlin mit anschließendem Selbstmordsaufen planen.

Ein Hauptwerk spätgotischer Malerei stellt die Staatsgalerie Stuttgart aus: Hans Holbeins "Graue Passion", die vor sieben Jahren für 13,2 Mio. € erworbenen, doppelseitigen Flügelaltarbilder, interpretiert auf seinen Tafeln die Leidensgeschichte Christi.

Hendrik Pupat berichtet über die Preisverleihung der Sachsen Bank an die Leipziger Künstlergruppe "Famed". Das Bildermuseum zeigt nun ab 20. Februar acht bereits anderweitig erschienene Arbeiten des Künstlertrios. In ihren Arbeiten setzen sie sich insbesondere mit der Markenbildung von Künstlern und "räumlichen und institutionellen Gegebenheiten" des Kunstbetriebs selbst auseinander. Pupat schlägt vor, dass "Famed", jetzt, wo sie zum Erfolgslabel geworden sind, ihr Erscheinen einstellen und dort "überraschten, wo es niemand erwartet". Aber das zeichne sich vorerst nicht ab. "Der Betrieb dankt", schließt Hendrik Pupat seinen Text.

Das neue Album von Polarkreis 18 ("Allein, allein") unter dem Titel "Frei" hat Thomas Voigt nicht überzeugen können. Der Sound, erzeugt am Digital-Synthesizer, fabriziere nur einen "Pop-Einheitsberei", der selbst die "einzigartige Stimme Felix Räubers" verwische. Besonders schlimm sei, dass die Dresdner Musiker nach eigenem Bekunden in diesem Album "endlich ihren Sound gefunden" hätten. "Das Album ist das traurige Zeugnis davon, wie die preisgekrönten Musiker nicht nur die Vielfalt der eingesetzten Instrumente, sondern auch ihr Talent einem Synthesizer opfern" und "die Eleganz eines 'Allein, allein' zu Grabe getragen wird".

Bis Juni 2011 soll der Leipziger Stadtrat endlich Fahrt in die verfahrene Situation um das "Freiheits- und Einheitsmonument" bringen und nicht nur Standort, sondern das Procedere für den gesamten weiteren Ablauf bis 2014 festlegen. Der klammheimlich weiterhin als naheliegendster Standort gehandelte Augustusplatz wird aber von Florian Mausbach, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, mit dem bereits bestehenden Ensemble aus Brunnen, Demokratieglocke, Stele, Oper und Gewandhaus als "heillos überfrachtet" eingeschätzt, schreibt Klaus Staeubert.

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