Montag, 1. November 2010

lvz kultur vom 2.11.10: Harry Rowohlt, Joe Cocker, der Ring & Cornelia Funke

Zählt Harry Rowohlt zur deutschen Leitkultur? Ein solches Deutschland wäre Heimat. Der Humor jedenfalls würde gewinnen, die Literatur, die Kunst ganz allgemein. All das liegt an dem Läusekamm, den Rowohlt penibel durch alles Gesagte und Geschriebene zieht und Unrhythmisches und anderes Störende herauskämmt. Andere würden Rowohlt wohl am liebsten selbst einer solchen Prozedur aussetzen.
In seiner Leipziger Poetikvorlesung hadert der Übersetzer aus dem Englischen mit der Langatmigkeit der deutschen Sprache, die er permanent zum Schwingen bringen will. Klang ersetzt Bedeutung, nichts bleibt, wie es scheint. "Die Gans ist heute eine Pute, und Uli heißt aus Quatsch mal Ute." Übrig bleibt Gesang. Und der Tanz der Synapsen. Das Publikum, schreibt Janina Fleischer, lachte herzlich.

Der Sheffielder Straßenjunge und Altrocker Joe Cocker stellt in der Leipziger Arena seine neue CD "Hard Knocks" vor. Im Gespräch mit Dagmar Leischow soll er sich vor allem rechtfertigen. Für den poppigen Sound. Für die Mitarbeit von anderen. Für seine Coverversionen. Ansonsten fragt sie ihn, ob es ihn ärgere, dass... langweile, dass... leid tue, dass... störe, dass... und ob er gerne an Woodstocke zurückdenke, nicht lieber vor kleinerem Publikum spiele, Blumen züchten wolle, Drogen nehmen, verfetten, vom Dach stürzen oder wenigstens - ans Aufhören denkt.
Cocker tut ihr den Gefallen nicht. Solange seine Stimme o.k. sei und er die Kraft habe, zwei Stunden auf der Bühne zu stehen, mache er weiter. Warum auch nicht?

Christian Rupp stellt sich die Frage, ob sich Vera Nemirova mit ihrem "Ring"-Zyklus an der Oper Frankfurt wohl in die Phalanx der Vorgänger einreihen könne, die aus Gielen/Berghaus/Manthey und aus Wernicke bestehe. Fraglich, befindet Rupp, ohne irgend ein Argument zu nennen; das Publikum möge noch so jubeln. Vielleicht liegts an Wotan (Terje Stensvold), der "gramgebeugt", ein "hemdsärmeliges Etwas", für den "Niedergang göttlicher Macht" stehe? Vielleicht auch nicht. Rupp sagt es nicht.

Von der heute beginnenden 20. euro-scene Leipzig vermisst Nina May die Reibung, die von ihr ausgeht, ein Zeichen, das erkennbar würde, Staub, der aufwirbelt. Etabliert und anerkannt, dafür eingefahren und überraschungsarm sei die euro-scene Leipzig geworden. Der Schwerpunkt Osteuropa, den sie als Eigenes pflege, bleibt gewollt, steril. "Das Licht kommt aus dem Osten", titelt die Festschrift zum 20. Jubiläum des Festivals. Kein Polarlicht. Kein Meeresleuchten. Der Strom kommt aus der gleichen Steckdose wie im Westen.

Hat Cornelia Funke ihren Höhepunkt überschritten? Bedient sie sich nur noch eklektisch bei den Großen der Märchen- und Fantasyliteratur? Ihr neuester Roman "Reckless. Steinernes Fleisch" ist im Dresdner Staatsschauspiel auf der Bühne zu erleben, noch vor der Filmpremiere. Dramaturg Robert Koall, der auch Tintenherz für die Bühne bearbeitete, hat wieder das Vorrecht der ersten und aller folgenden Nächte. Frank Panhans, umtriebiger Kinder- und Jugendtheaterregisseur, macht aus der Vorlage "Familientheater", wie Bistra Klunker berichtet. Mehr nicht. Das Potpourri Grimmscher und anderer Motive wird von "geheimnisvollem Märchensound" der Dresdner Band Polarkreis 18 begleitet. Irgendwo im Text steht wohl auch, dass das Publikum begeistert gewesen sei.

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