Mittwoch, 24. November 2010

lvz kultur vom 24.11.10: Kopftuchverbot, Wickert, Ernst Jünger & Harry Potter

Einigermaßen unaufgeregt klingt der Konflikt um das erste Kopftuchverbot an Sachsens Schulen. Für die Betroffenen, zwei afghanische Mädchen, deren Eltern im Oktober nach Deutschland kamen, ist dies mit der Suche nach einer anderen Dresdner Schule verbunden, in der ihre Kinder mit Kopftuch am Unterricht teilnehmen können. Interessant ist, dass ausgerechnet an einer Schule mit hohem Migrationsanteil ein Kopfbedeckungsverbot existiert, das angeblich keine religiösen Gründe haben solle, berichtet Sven Heitkamp. Es gehe eher um Basecaps, die im Unterricht der Mittelschule untersagt bleiben sollen. Die Schulkonferenz, die im Dezember tage, wolle sich mit dem Verbot befassen und gegebenenfalls eine Ausnahme für das Tragen von Kopftüchern aus religiösen Gründe beschließen. Wenns das ist, kann man der Dresdner Schule für unaufgeregtes Handeln gratulieren. Die Dresdner Migrationsberatung sprach allerdings von "mangelnder interkultureller Kompetenz", sie hätten von der Schule "mehr Feingefühl" erwartet.

Ulrich Wickert im Gespräch mit Jürgen Kleindienst. Wickert würde gerne den Papst interviewen. Von Politikern kenne man bereits die Antworten. Mit dem Papst würde er über katholische Grundsätze wirtschaftlicher Ethik sprechen und diese Haltung mit den Praktiken der Vatikanbank vergleichen. Wie seine Neugier, einmal wie Steffen Seibert als Pressesprecher im Zentrum der Macht zu sitzen, sich mit dieser Haltung vereinbaren läßt, weiß nur Wickert selbst. Ansonsten kann Wickert tagelang Bilder von Neo Rauch anschauen. "Diese Malerei ist wie Literatur. Sie erzählt." Unter den Schriftstellern lobt Wickert insbesondere Clemens Meyer, aus dem "mal ein Großer" würde. Zum fernsehen selbst käme er kaum noch.

Die Insolvenz des Theaters Gera-Altenburg ist abgewendet. Thüringens Kultusminister Christoph Matschie sprach von 1,088 Mio. €, die das Land in einer einmaligen Zahlung beisteuere. Die anderen drei Gesellschafter der GmbH müssten allerdings die restlichen 800.000 € zuschießen, die für ein Weiterleben erforderlich seien.

Bei der Verleihung der International Emmy Awards für Fernsehproduktionen einem Ableger des wichtigsten US-Fernsehpreises für ausländische Produktionen, hat die britische BBC abgesahnt. Allein fünf der zehn Preise gingen "auf die Insel". Helena Bonham Carter und Jury Bob Hoskins sind die Namen der Schauspieler, die die Hauptpreise erhielten. Iris Berben und Sebastian Koch gingen leer aus. Von deutscher Seite bekam allein die britisch-deutsche Kinderserie "Shaun, das Schaf" einen Preis. Ausgezeichnet wurde insbesondere der Witz der Sendung um das freche Schaf.

Im Museum Gunzenhauser in Chemnitz präsentieren die Kunstsammlungen Chemnitz etwa 90 Exponate des in Deutschland weitgehend unbekannten Malers Helmut Kolle. Gefördert vom Kunsthistoriker Wilhelm Uhde feierte Kolle im Paris der Zwanziger Jahre große Erfolge. In seiner Kombination von Malerei und Zeichnung "hatte er die Umrisse mit dem Pinselholz in die nasse Farbe geritzt, eine von den französischen Avantgardisten neu belebte Technik". Doch der Grund für seinen in Frankreich "kometenhaften Aufstieg", so Christine Hochstein, sei "sicher die Steigerung des sinnlichen Gefühls für Farbe als Materie, der dem französischen Kunstgeschmack entsprach". Auf einer 1932 eröffneten Gedächtnisausstellung für den früh verstorbenen Maler lobte Pablo Picasso "die unerhörte Vitalität und Schönheit" von Kolles Bildern.

In seinem Bericht über die Kriegs-Tagebücher von Ernst Jünger 1914-1918 geht Ulrich Heise den Veränderungen nach, die die ursprünglich "schmucklose Nüchternheit" der Kriegsberichte des Schriftstellers in den1920 erschienenen "Stahlgewittern" erfahren haben, in denen sich der mit dem Orden "Pour le Mérite" ausgezeichnete Jünger zum "Metaphysiker des Krieges" verwandelt habe. Beeindruckend in den Tagebüchern sei die noch vollkommen ungeschönte Schilderung des "Animalischen" des Krieges und seines "verrohenden Einflusses". "Wann hat dieser Scheißkrieg ein Ende?" fragt Jünger, "was hätte man in dieser Zeit nicht alles sehen und genießen können?", während er in den "Stahlgewittern" mit "fast rauschhaftem Heroismus" auf die Jahre im Hexenkessel zurückblickte. Der Nietzscheadept betrachtete damals Kriege als "Elementargewalt", die einen festen Platz im Weltgeschehen haben müssten.

Literaturwissenchaftler Tobias Kurwinkel sieht in einer Analyse der Harry-Potter-Verfilmungen zwischen dem zweiten und dem dritten Film die Ablösung vom Genre des Kinderfilms. "Harry Potter und der Gefangene von Askaban", in der die Allgegenwart des Bösen inszeniert würde, sei der Übergang zu einer auch Erwachsene anziehenden Kinoverfilmung gewesen. Diese düstere Seite steigere sich bis hin zur derzeit letzten verfilmten Episode durch die zunehmende Ähnlichkeit der Schreckensherrschaft des Grafen Voldemort mit der nationalsozialistischen Rassenideologie und Gewaltherrschaft. Die Handlung spiele längst nicht mehr in einer "abgeschotteten Zauberwelt", sondern im modernen England, "dessen Bedrohung realer und unmittelbarer wirkt und gesteigert werde durch Thriller- und Horrorelemente." Zugleich erhalte Harry Potter zuehmend messianische Züge eines Auserwählten.

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