Mittwoch, 10. November 2010

lvz kultur vom 10.11.10: Straßen für die Kids, Maffay, Triegel und Faber&Jung

155 Mio € mehr für Inverstitionen. Viel Geld? Diese Summe verplant die sächsische Regierung angesichts sprudelnder Steuermehreinnahmen in Höhe von 550 Mio € allein in 2010, 162 Mio € in 2011 und 314 Mio € in 2012, wie Jürgen Kochinke schreibt. Nur(!) 155 Mio € muss man also sagen. Ausgegeben wird das Geld für Straßen, Brücken, den Bau von Krankenhäusern und Schulen. Die Kultur wird mit einer fetten roten Null abgespeist. Im Sozial- und Jugendbereich bleiben die diskutierten Kürzungen erhalten, auch bei der Polizei. Es ist nicht möglich, angesichts der Steuermehreinnahmen noch von Sparmaßnahmen zu reden, sondern nur noch von politisch gewollten Kürzungen. Das macht einen gravierenden Unterschied. Denn dahinter steckt mehr Konzept als es bisher schien. Die Zerschlagung kultureller Freiräume und der Jugend- und Sozialarbeit, wie in Leipzig geplant, ist genau so gewollt. Und seit spätestens Juni, als die geplanten Kürzungen durch Dresdens Landesregierung öffentlich wurden, hat die lvz nahezu sämtliche Gelegenheiten ausgelassen, mit Abgeordneten oder Ministern aus CDU oder FDP zum Thema der Kürzungen zu reden. Warum?

Claus Lochbiehler sprach mit Mick Hucknell über seinen bevorstehenden Abschied von Simply Red. Trennung oder gar Auflösung könne man dazu nicht sagen, schließlich sei er selbst Simply Red. Hucknell hat unterdessen einen anderen Sound im Kopf ("Musik, zu der man tanzen muss oder richtig Durst auf ein Bier bekommt"), die Plattenfirma untersagt ihm aber unter dem Label "Simply Red" Musik, die nicht nach Simply Red klingt. Die Marke zählt, darf nicht verändert werden. Also: Bevor Hucknell dazu verdammt ist, sich selbst zu covern, muss eine neue Marke her. Die Lösung: Nach der Abschiedstournee mit Simply Red tritt er erst solo unter neuem Namen mit neuem Sound auf, anschließend engagiert er die alten Bandmitglieder erneut.

Peter Maffay war für das Konzert "40 Jahre Rock'n'Roll" in der Arena Leipzig. Während ihn das 8000-stimmige Publikum "mit Hingabe, Gefühl und Andacht" verehrte und mitsang, lag Peter Korfmacher dem Klassik-Rocker regelrecht zu Füßen. Nicht nur die von Maffay beharrlich als Lieder bezeichneten "Songs" hätten Qualität, ebenso seine fantastische Band, und allen voran Carl Carlten, Maffays Mann an der Gitarre. Mit dem zusammen spielte Maffay eine "naturbelassene Musik, die unter die Haut geht": "zwei Männer, zwei Gitarren, wenige Akkorde".

Als Papst-Maler hat es Michael Triegel unterdessen zu Bekanntheit gebracht, das Tuch über dem vollendeten Porträt Benedikt XVI. hat Triegel nun erstmals für lvz redakteur Thomas Mayer gelüftet, bevor es ab 26. November im Bildermuseum nebst anderen Werken in der Ausstellung "Michael Triegel - Verwandlung der Götter" zu sehen sein wird. Auf dem Porträt halte Papst Benedikt ein Blatt Papier in der Hand mit den Weisheiten des Heiligen Augustinus. Ehrfürchtig gibt Mayer eine poetisch-religiöse Bildinterpretation zum besten: "Augustinus' Herzschlag schlägt in dieser Brust weiter." Seelenverwandtschaft? Augustinus jedenfalls ist unter anderem für seine autobiografischen "Confessiones/Bekenntnisse" berühmt geworden, in denen er die Wirklichkeit in drei Bereiche teilen will. Die Welt des höchsten Seins sei nur dem Geist zugänglich, das mit den Sinnen erfahrbare Werden sei dem niederen Bereich der Wirklichkeit zugeordnet. Die Trennung in Höheres und Niederes hat bekanntlich in vielerlei Hinsicht heute wieder Konjunktur. Demokratie adé. Es ist ein Kreuz mit sensiblen Künstlern, adeligen Politikern und Päpsten.

Ein Textmeer bei Windstärke Eins über eine Austellung von Carsten Tabel in der Galerie Kleindienst hat Meinhard Michael geschrieben. Aus ihm schwappt keine einzige Welle, kein einziger Satz bis ins Bewusstsein des schlingernden Lesers. Allein Tabels eigene Worte, "Menschen wie Hunde an Leitplanken" und "Er weiß es besser und denkt auch viel schöner als der Müll da unten auf der Straße", bleiben hängen. Vielleicht war jemand aus der heiligen Dreifaltigkeit Augustin - Benedikt - Triegel der Ghostwriter? Beim dritten Zitat wandern die Gedanken allerdings wieder heimwärts: "Kleines bisschen mitmachen bei der Diffusion [gleichmäßige Verteilung, ath.] von Kultur, man wünscht sich eine Untergrundarmee, die aber zu Hause bleiben darf, sich selbst vernebeln." Das hat Michael etwas zu wörtlich genommen. Athene ist schon ganz benommen.

Im Interview mit Mathias Wöbking jammert Freie-Szene-Sprecher Falk Elstermann gewohnt wortreich darüber, dass 5% von 100 Mio € weniger seien als 5% von 110 mio. €. Nun fühlt er sich irgendwie von der Kulturverwaltung über den Tisch gezogen. Sein Matheunterricht ist scheinbar schon sehr lange vorbei. Trotzdem schön, dass ein Seniorenstudium doch noch Früchte tragen kann.

Den täglichen Faber gibt uns heute die lokale variante der Dreifaltigkeit, Orbeck/Staeubert/Korfmacher. OBM Jung, der derzeit in Amerika weilt und dort eine Preisrede auf Kurt Masur hält (warum eigentlich?), hat ihn nur telefonisch von seiner Beschneidung informiert. Von Jung stammt auch die Charakterisierung Fabers als "Kreisklasse". Vergessen sollte er nicht, dass er selbst dem Transfer seinerzeit zugestimmt hat. Und nach Bundesliga, geschweige Champions-League, sieht der gegenwärtige Murks nicht aus, vielmehr nach menschlicher und politischer Führungsschwäche. Faber macht derweil, was er am liebsten macht, schweigen: "Meine Auffassung von Loyalität gebietet es mir, bis zur Rückkehr die Entscheidung nicht zu kommentieren". Bekannt ist nur, dass Faber als Kulturdezernent lieber noch nicht zurücktritt. Verständlich, erhält er doch bei einer Abwahl durch den Stadtrat bis 2016 monatlich 75% seiner gegenwärtigen Bezüge weiter.

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