Donnerstag, 11. November 2010

lvz kultur vom 11.11.10: Kultur- und Sozialkürzungen, die NPD, Gesine Schwan & Alice Cooper

Der kalte Weg der Enteignung sächsischer Bürger findet bei gleichzeitig blendender Finanzlage statt. Eine Milliarde Mehreinnahmen bis 2012 sind kein Grund, auch nur ein klägliches Prozent davon zur Sicherung ihres mühsam erworbenen gesellschaftlichen Reichtums oder auch einer sozialer Infrastruktur für den Notfall einzusetzen. Die Landesregierung aus CDU und FDP bleibt dabei, die von ihren Steuern finanzierten Einrichtungen der Jugendhilfe, der großen wie kleinen Theater, Kunst- und Kulturhäuser (mit Ausnahme Dresdens), die Sozialarbeit freier und öffentlicher Träger und vieler anderer Bereiche finanziell so zu kürzen, dass viele Einrichtungen ihre Arbeit einstellen werden oder nur noch verstümmelt weiterexistieren. Der Witz ist: Die für den Weiterbetrieb notwendigen Summen stellen nur Bruchteile dessen dar, was anderswo investiert werden soll oder sogar der Summen, die für Rücklagen beiseitegelegt werden. In seinem von Zahlen untersetzten Artikel führt Sven Heitkamp diese bereits gestern erschienene Nachricht weiter aus.

Szenenwechsel. In lvz lokal berichtet Frank Döring über die binnen zweier Jahre erfolgte klammheimliche Etablierung des NPD-Büros in Leipzigs Odermannstraße 8 zu einem "Nationalen Jugendzentrum". Hier finden Freizeitveranstaltungen ebenso wie politische Bildungsveranstaltungen statt, es wird Kampfsport und andere Leibesertüchtigung betrieben, zur rechten Kultur gibt es Parties. Die Betreiber kämpfen alltäglich und beharrlich für ihr Ziel eines "nationalen Sozialismus".
In vollem Bewusstsein kürzt Dresden die Mittel für städtische oder freie Jugendzentren, in vollem Bewusstsein, den national gesinnten Undemokraten und Neonazis das Feld immer weiter zu überlassen.

Szenenwechsel II: In der Dresdner Frauenkirche kritisiert die beinahe zur Bundespräsidentin des deutschen Volkes gewählte Gesine Schwan die sächsische Staatsregierung heftig. Anlass war die Weigerung des Alternativen Kultur- und Bildungszentrums Sächsische Schweiz Akubiz, den Förderpreis für den Einsatz gegen Rechtsextremismus anzunehmen, den ihr verschiedene Stiftungen sowie die Deutsche Bank verliehen haben. Jürgen Kochinke berichtet, die Preisträger hätten eine Klausel unterschreiben sollen, keine extremistischen Gruppen zu unterstützen. Nicht nur die Akubiz fühlt sich damit von der Staatsregierung einem gegen sie gerichteten Verdacht ausgesetzt, auch die Stiftungen sehen sich durch die geforderte Erklärung zum Spielball der Politik degradiert. Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane: "Wir fühlen uns vom Freistaat missbraucht". Dass eine abstrakte Gleichsetzung extremistischer Positionen im Alltag den Argwohn gegenüber couragierten Menschen erst schürt, nimmt die Politik der Regierung dabei in Kauf. Sie selbst ist allerdings zunehmend weniger in der Lage, für eine Atmosphäre von Respekt und Toleranz in ländlichen Gebieten Sachsens zu sorgen. Wenn Gruppen wie die Akubiz nicht auch anderswo existierten, wären wohl auch die jüngst geplanten Großdemonstrationen der NPD in Leipzig nicht so glimpflich abgelaufen.

Das Verständnis der CDU/FDP-Landesregierung von politischer und kultureller Bildung, das sich in den Meldungen, die allesamt der lvz von heute entnommen sind, darstellt, beginnt, bedrohlich zu werden für die Menschen Sachsens.

Die lvz kultur in Person von Jürgen Kleindienst befasst sich stattdessen mit Alice Coopers Auftritt in der Arena Leipzig und dessen seit 40 Jahren zum besten gegebenen Hits wie "School's Out" und freut sich an der "Parodie eines Rockkonzerts, als Dekonstruktion des Star-Gehabes, ja, des ganzen Geschäfts an sich". Gute Show - schwache Songs - eine Stimme, die Knochen zersägt! So lautet Kleindiensts Resümee von Coopers "Theatre of Death", das den lvz redakteur augenscheinlich eher an Kinderkarneval erinnerte.

Angesichts des Wagnerjahres 2013 wird an der Oper Halle repräsentativ an einem Ring gefeilt; den ersten Teil, Wagners "Rheingold", hat Boris Michael Gruhl gesehen. Hans-Günther Heyme, ein Politaltstar unter den bundesrepublikanischen Regisseuren, ließ die Zuschauer sich teils wie auf einer "Operettenbühne bei Offenbach" vorkommen, "dann wieder in den Fantasiewelten des Comic und der Manga". Gruhl lobte, "eine solche Art des Musiktheaters mit deutlichen Bezügen zu besten Traditionen des Volkstheaters könnte Menschen den Zugang eröffnen, für die bisher Wagner, der Ring besonders, als 'schwere Musik' gilt."

Weiter berichtet lvz kultur über Werke von Claudia Annette Maier und Alexandra Gruhl in der Galerie Post; die Verleihung des mit 10.000 € dotierten Studienpreis des Freundeskreises der HGB an Paul Spehr, Lydia Sachse und Timo Hinze; den angesichts knapper Gelder wiederaufflammenden Disput zwischen Falk "Freie Szene" Elstermann und Leipzigs Kulturamtschefin Susanne Kucharski-Huniat; die Drohung des LINKEN-Chefs Volker Külow gegenüber OBM Burkhard Jung ("Das soll keine Drohung sein"); eine peinliche Geschichte für CDU-MdB Thomas Feist, der augenscheinlich eine von ihm nur geringfügig abgewandelte Idee des Künstlers Tiko Karrasch für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal als seine ausgegeben hat; und die Stimme der GRÜNEN, angesichts der Haushaltslage keine Gelder für Prestigeobjekte wie Kongresshalle, Zoo-Parkhaus oder Lindenauer Hafen auszugeben.

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