Samstag, 13. November 2010

lvz kultur vom 13.11.10: Rechtsextremismus, Wagner, Theater im Strafvollzug & Faber vs. Jung

Wer gegen Rechtsextremismus kämpfe und Fördermittel beantrage, habe "selbstverständlich" vorher den Verfassungsschutzbericht zu lesen, ob einer seiner Partner dort gelistet sei, meldet sich Josef Hecken zu Wort, seines Zeichens Staatssekretär im Familienministerium. Mal abgesehen von der Blockwartmentalität, die jetzt gefordert wird, sind damit die Linken als Partner eigentlich auch tabu? Herr Ramelow grüßt von Ferne den Verfassungsschutz...

Merkt eigentlich in den Landes- und Staatsregierungen noch jemand, dass mitunter auch Antifagruppen in Hinsicht auf den Rechtsextremismus durchaus offensiv demokratische Werte und Prozesse in der Gesellschaft einfordern und sich damit couragierter und durchaus staatstragender und affirmativer in Hinsicht auf unsere Verfassung verhalten als so manche daran desinteressierte Person aus der Mitte der Gesellschaft?



Würde irgendjemand die "größte Bildergalerie der Welt" vermissen, wenn sie nicht mit beispiellosem Pomp durch die deutschen Lande und sogar die Welt gekarrt würde? Niemand, garantiert. Doch die Marketingabteilung der lvz fand, dass schon lange kein irgendwie unsinniges oder wenigstens größenwahnsinniges Projekt aus Leipzig gekommen sei und lässt nun in der imperativischen Initiative "MaleLE!" die Bevölkerung nach Herzenslust malen, die zustandegekommene Beliebigkeit der allerneusten Leipziger Schule anschließend von Fachleuten sichten und ins Töpfchen oder Kröpfchen stecken. Der größte Kindergarten Deutschlands findet sich zusammen, selbstverständlich zum guten Zweck, wie Jürgen Kleindienst betont, dem Zweck, das Licht der lvz nicht in Form von Energiesparlampen, sondern von überdimensionalen Flutlichtern ins Weltall hinaus zu senden/verschwenden. Den dümmsten Spruch zur Begründung der Aktion hat dann noch lvz Geschäftsführer Norbert Schmidt zum besten geben müssen, zumindest zitiert ihn Kleindienst so, dass nämlich das Thema Kunst und Kultur ein "wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Stadt Leipzig" sei. Das wesentliche Alleinstellungsmerkmal des lvz Geschäftsführers scheint dementsprechend die scheuklappenbewehrte Präpotenz zu sein, wenn man sie - ähnlich Kunst und Kultur - nicht ebenfalls schon mal woanders erlebt hätte.



Benedikt Leßmann ist etwas gespalten. Soll er das Fremdgehen oder zumindest "anbandeln" mit der Ehefrau des Förderers, Freundes etc. moralisch ablehnen oder aus kunstökonomischen Gründen doch lieber befördern? Zumindest seien bei Richard Wagner auf diese Weise der Schatz der Wesendonck-Lieder entstanden. Der sich als Künstler getreu an den guten alten Wahlspruch des "Sex'n Drugs and Rock'n Roll" haltende Wagner habe mit diesem "halbstündigen Zyklus" gar eine perfekte Einstiegsdroge in sein eigenes Werk geschaffen. Im Großen Concert des Gewandhausorchesters unter Leitung von Eliahu Inbal sang Jane Eaglen zwar "etwas zu kühl", dennoch habe sich der Hörer hier "in Schönheit verlieren" können. Schostakowitschs 8. Sinfonie, die musikalisch von den Schrecken des Weltkriegs erzählt, habe anschließend zumindest als "herber Kontrast" gewirkt. Die "Hässlichkeit der Klangmassen" habe Inbal, zumal durch die "unerbittliche Langsamkeit", mit der sich musikalisch die Katastrophe nähere, einfach nicht mildern können - oder wollen. Selbst am Ende nicht, an dem "für gefühlte Ewigkeiten C-Dur erklingt". Kein "jubelheischendes Finale", aber "verdienter Applaus".



Die Theatertage des sächsischen Strafvollzuges, die vom 17.-20. November in Dresdner Theatern, aber auch verschiedenen JVAs Sachsens stattfinden - einschließlich eines "Gastspiels weiblicher Strafgefangener aus der JVA Lubliniec in Polen - gehören zu den besonders eindrucksvollen Ereignissen, die die Kunst hervorbringen kann. Selbstverständlich haben die Theateraufführungen, wie Caren Pfeil schreibt, therapeutische und (re-)sozialisierende Wirkungen auf die Gefangenen, ermöglichen Respekt und Verständnis bei der Begegnung zweier paralleler Gesellschaften, der hinter und der außerhalb von sichtbaren Gittern.

Dass sie aber auch emotionale Situationen der Gefangenen aufnehmen und künstlerisch spiegeln kann, wird am Projekt "Die Rückkehr" von 25 Männern und (!) Frauen der JVA Dresden deutlich, das die Geschichte des griechischen Kriegshelden Odysseus zum Inhalt hat. "Dessen größte Angst darin besteht, nicht zu wissen, was ihn zu Hause erwartet nach seiner langen Abwesenheit." Besucher müssen sich anmelden, Perso mitbringen, aber keine Drogen! Mehr zum Programm unter http://www.festivalimgefaengnis.de/.



In der Serie "Finanzierungsdilemma" über die unterschiedlichen Spielarten europäischer Kürzungsorgien im kulturellen Bereich ist im kurzen Text von Britta Gürke, heute besonders über Großbritannien, eine Ungeheuerlichkeit nach der anderen zu lesen. Mit der eklatantesten schließt die Autorin, der, dass die Einsparungen im UK "wegen der Olympischen Spiele 2012 in London" vorgenommen würden, "denn unter dem dach des Kulturministeriums ist auch der Sport angesiedelt".



Noch-Kulturdezernent Michael Faber wehrt sich gegen OBM Burkhard Jungs Anschuldigungen und die drohende Abwahl. Etwas spät besinnt sich Faber darauf, in Dingen des Kulturraumgesetzes sich mit Vertretern anderer Städte abzustimmen mit dem Ergebnis, die bevorstehende Novellierung doch noch abzuwenden. Jung ließ sich laut Andras Tappert zu der Äußerung hinreißen, er habe mit Fabers Bestallung zum Kulturdezernenten vor einem Jahr "eine falsche Entscheidung getroffen". Auch in diesem Fall eine (zu) späte Erkenntnis und auch keine Bagatelle. Interessant wird der Hickhack darum werden, wer den Abwahlantrag gegen Faber stellen wird. Den Schwarzen Peter will zur Zeit weder die SPD-Fraktion noch der OBM übernehmen.

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