Donnerstag, 4. November 2010

lvz kultur vom 4.11.10: Landtag, Kulturräume, Philipp Neumann & Mendelssohn

12-13.000 Teilnehmer meldet die anwesende Polizei, 10.000 die lvz. Der Protestmarsch und die anschließende Kundgebung vor dem Dresdner Landtag war so vielfältig und kraftvoll, dass überall Staunen angesagt war. Ob das schicke Mobiliar des Landtages, die Anzugträger, die im durchsichtigen Fahrstuhl hoch und runter fuhren oder hinter der Glasfassade vorsichtig einen Blick riskierten, außer coolem Äußeren und augenscheinlichem Respekt etwas verstanden haben, bleibt offen.

Jürgen Kochinke macht für die lvz aus allem eine launige Bratwurst- und Studentendemoberichterstattung, bemerkt laute Musik und Trillerpfeifen, versucht, die Kundgebung als etwas minderbemittelte Verbandsegoisten erscheinen zu lassen. Ernst und Entschlossenheit, Argumente und Originalität, Emotionalität und Radikalität, Vielfalt und Größe der Kundgebung bleiben bestenfalls Folklore in der Berichterstattung. Dafür, dass die lvz journalistisch kaum jemand ernst nimmt, sorgt sie schon selbst.



Doch auch innerhalb des Landtags gab es viele Stimmen zu den vorsichtigen Rückzugsgefechten der CDU/FDP-Regierung und Änderungen am angekündigten Kürzungskurs. Sven Heitkamp berichtet, dass Linke, Grüne, aber auch SPD die Korrekturen am Sparkurs - 40 Mio € mehr bei Milliardeneinsparungen - für Makulatur halten. Geändert werden sollen Kleinigkeiten. Antje Hermenau: "Die sozialen Grausamkeiten bleiben - offenkundig aus ideologischen Gründen." Es ist erstaunlich. Die politische Klasse verficht weiter einen knallharten neoliberalen Sparkurs, der die Rolle des gestaltenden Staates immer weiter reduziert. Änderungen werden nach Klassenzugehörigkeit schnell (Freie Schulen und Musikschulen) oder weniger schnell bzw. deutlich (Kulturräume) angekündigt. Soziales und Jugend, Kommunen und die Kultur jenseits der Leuchttürme werden größtenteils - und bewusst - übergangen. Leipzigs Unirektor Franz Häuser ist es vorbehalten, die bildungspolitischen Kürzungen in den Zusammenhang einer "Lehre und Forschung nach wirtschaftsnahen Gesichtspunkten" zu stellen. Da sind die Finanzen vorgeschobene Argumente für die politischen Inhalte. Nicht nur dort.



Die Reaktionen auf die angekündigten Ein-klein-wenig-weniger-Einsparungen sind bei Leipzigs Kulturchefs dementsprechend, so Jürgen Kleindienst. Die Hälfte von falsch ist weiter falsch, und nicht halb falsch. Gewandhausdirektor Andreas Schulz sagt klar, "Für uns gibt es keinen Kompromiss, sondern nur ein Ziel, nämlich, dass die Einsparungen auf Null gestellt werden." Zudem sei die Sparvorgabe weiterhin "nicht verfassungskonform", wie ein Rechtsgutachten im Auftrag von Oper, Schauspiel und Gewandhaus ergab. Nur die Politik knickt vorsichtig ein: OBM Jung spricht von "Bewegung in die richtige Richtung", Kulturdezernent Faber will auf der Grundlage der Ankündigungen bereits "vernünftige Politik machen". Auch wenn Politik in der Regel aus Kompromissen besteht, hier sind sie falsch. Dresdens Regierung wartet nur auf solche butterweichen Statements.

Was sagen eigentlich die Leipziger CDU und FDP-Landtagsabgeordneten dazu?



Klaus Stäubert berichtet im Lokalen über einen überraschenden Meinungswandel bei Dezernent Michael Faber. Er will das Naturkundemuseum nun doch offensiver erhalten als bisher. "Es geht um die Wiedereröffnung des Museums mit einer neuen Konzeption an einem voraussichtlich neuen Standort bis 2014".



Einen Vorbericht mit etwas wirren Statements ihres Gesprächspartners hat Nina May über die Eigenproduktion der euro-scene "Prophezeiung 20/11" geschrieben. Vielleicht erscheint ja in der gedruckten Ausgabe doch eine Kritik der Aufführung, ähnlich wie im Gegensatz zur Onlineausgabe in der gestern gedruckten Ausgabe der lvz eine kritische Würdigung des Alain-Olatel-Abends enthalten war. Regisseur Philipp J. Neumann machte also ein Stück über die Prophezeiung eines indischen Mönchs, die besagt, dass Mensch und Tier einander ebenbürtig sein werden. Sein Ziel seiner Arbeit sei, "auf hohem Niveau zu unterhalten". Das hat er leider nicht getan. Mehr als freundlicher Applaus war gestern nicht drin. Neumann ahnte das schon. Wahrscheinlich empfand er nicht nur das Stück als "ziemlich beunruhigend", sondern auch seine eigene Inszenierung.



Des weiteren darf Peter Korfmacher den Ankauf eines Briefes und mancher Erstdrucke aus Felix Mendelssohns Feder loben. Für 10.000 € seien die erworbenen Stücke ein Schnäppchen. Und das Mendelssohn-Haus auf dem Weg vom Museum zu einer Forschungseinrichtung. Bereits jetzt lasse sich schon sagen, dass der Leipziger Komponist in ganz Europa äußerst gut "vernetzt" gewesen sei, weitere brisante Ergebnisse seien zu erwarten, wenn die Widmungen auf den Erstdrucken wissenschaftlich untersucht würden..

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