Donnerstag, 2. Dezember 2010

lvz kultur vom 03.12.10: Buchpreis, Bundes-Kulturausgaben & Moritz von Uslar in Oberhavel

Für Martin Pollack ist Verständigung in hohem Maße "Information, Austausch, Aufklärung". Weil der Journalist und Schriftsteller in seinen historischen Reportagen und Büchern diesem Aspekt hohe Bedeutung beimißt, erhält Pollack nun den Leipziger Buchpreis für europäische Verständigung 2011. Gerade der Blick in den Osten, besondern auf Galizien, einer Gegend, die sich vom Süden Polens in den Westen der Ukraine erstreckt, und Weißrussland ist Pollack wichtig. In einem Interview mit Janina Fleischer spricht er über die Notwendigkeit, "alle Geschichten zu erzählen". Gerade wegen der verbreiteten Neigung der Österreicher, zu verdrängen und zu verdecken, was unangenehm ist. Österreiche Politiker seien eher feige, schieben die Bevölkerung vor, der man nicht die ganze Wahrheit zumuten könne. Doch die sei vernünftiger, als ihre Regierung denke.
Das Thema der Migration aus Galizien zum Beispiel, über das Pollack in seinem Buch "Kaiser von Amerika" berichtet, habe heute durchaus Überschneidungen zur Zeit des 19. Jahrhunderts. Beim Schlepperunwesen und beim Frauenhandel, aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung durch das Geld, das die Migranten zurück nach Hause überweisen, gibt es Parallelen. Pollack will auch über den Antisemitismus, die Nationalitätenkonflikte und die Ausbeutung Galiziens durch Österreich informieren, um der Verständigung willen.

Während Kommunen und Länder ihre Kulturetats zum Teil heftig senken (müssen), erhöht der Bund seine Kulturausgaben. Doch die sind recht einseitig verteilt. Die Hälfte der Zuschüsse (1,1 Milliarden €) gehen an Staatliche Sammlungen in Berlin, die Museumsinsel etwa. Zusammengefasst gibt es 19 Einrichtungen, die sämtlich von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz getragen werden. Abgesehen von Berlin und seiner Repräsentationskultur sowie der deutschen Kultur im Ausland samt Deutscher Welle gibt es nur wenige Objekte in den Ländern, die vom Bund gefördert werde. Kultur ist Ländersache (gesamt 3,5 Milliarden €) und Sache der Kommunen (ebenfalls ca. 3,5 Milliarden €), auch wenn die nur zu gerne ebenfalls auf Repräsentationskultur schauen (Dresden) und eine Einrichtung wie die Landesbühnen, die in allen anderen Bundesländern auch Ländersache ist, zur kommunalen Aufgabe machen will. Nur für die östlichen Länder hat der Bund qua Einigungsvertrag Verantwortung zu tragen, was sich u.a. darin auswirkt, dass ein kleines, aber überregional bedeutsames Museum in der Provinz, das Lindenau-Museum in Altenburg, immer wieder vom Bund (Projekt-)Zuschüsse erhält.
Der Artikel von Clemens Haug, Marco Irrgang und Maria Köhler deutet zwar an, dass der Bund größere Spielräume hätte, auch in den Ländern fördernd tätig zu werden, doch der Bund will augenscheinlich Kompetenzstreitigkeiten vermeiden. Verständlich, sofern sich die Länder nicht immer stärker auf Zuschüsse für Einrichtungen beschränkten, die wirtschaftlich oder touristisch einen bedeutenden Faktor darstellen. Für die Bewohner der Kommunen und des Landes Sachsen müssen zunehmend die Städte selbst zahlen, auch wenn denen das Wasser längst bis über die Augenbrauen steht.

Kai Kollenberg schreibt über Moritz von Uslar, der für drei Monate in eine ostdeutsche Kleinstadt gezogen ist, ohne rechte Absichten, ohne Recherchedruck, und hat trotzdem ein mehr als sympathisches Buch über seine Zeit in " Oberhavel" (in der Realität Zehdenick in Brandenburg) veröffentlicht: "Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung". Uslar beobachtet, nimmt teil. Natürlich beobachtet er Klischees, das an Tankstellen abhängen etwa, das Grölen bei jedem Mädchen, das vorbeikommt, die Gespräche ohne Thema. All das aber ohne arroganten Blick, ohne seine Figuren bloßzustellen. Er nimmt die Bewohner, wie sie sind, urteilt nicht, spart mit Ironie. Als von Uslar vor kurzem eine Lesung aus seinem Buch veranstaltete, kam die gesamte Stadt - und fühlte sich in keiner Weise überrumpelt oder ausgenutzt. Das Ende lautet: "Das sind schon ziemliche Arschgeigen da, aber großartige Arschgeigen."

Die Versionale ist ein unterhaltsamer, europaweit ausgetragener Regiewettbewerb. Über 400 Regisseure haben Shakespeares Sommernachtstraum inszeniert. Allein in Deutschland 72. Das Besondere: Ihr Zeitlimit von 18 Minuten. In Leipzig findet nun der deutsche Ausscheid für das Internationale Finale in Trient statt. Die einzige Leipziger Regisseurin, schreibt Mathias Wöbking, die zudem bereits einen Publikumspreis gewonnen hat, ist Romy Kuhn, Regieassistentin und Dramaturgin am Theater der Jungen Welt. Mit Natascha Mamier aus Halle und dem Leipziger Martin Klemm hatte sie sich für das "Halbfinale" qualifiziert. Doch die Zeit für Sommernachtsträume ist zur Zeit wohl weit entfernt. Regisseurin Romy Kuhn lässt die Erwartungen erst garnicht hoch steigen. "Ach, wir wollen nur Spaß haben." Heute bis Sonntag, jeweils 20 Uhr in der naTo.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen