Sonntag, 12. Dezember 2010

lvz kultur vom 11.12.10: Wachter & Jud, Biller und das Weihnachtsoratorium, Musset und Kunstfälschungen

Überraschung! Tomas Petzold schreibt für die lvz über die Ausstellung „Feindbild 2.0“ im Kunsthaus Dresden. Eine Ausstellung über ein Phänomen, das täglich millionenfach die Bildschirme von Usern bestimmt, das heute aber – wenn überhaupt – eher spröde wissenschaftliche Forschung als künstlerische Auseinandersetzung nach sich zieht. Die Ausstellungsmacher Christoph Wachter & Mathias Jud zeigen, wie sich politische und soziale Konflikte von heute in der virtuellen Welt widerspiegeln, in Computerspielen á la Counterstrike, auf Seiten, die die wechselseitige Entsprechung von „Exhibitionismus und Überwachung“ zum Thema haben, mittels Selbsttests, ob man unter dem Kopfhörer auf Anhieb neonazistische Tendenzen in Songs erkennen kann und mehr. „Feindbild 2.0“ bildet etwa im Hof des Kunsthauses die bekannte Szenerie von Counterstrike real nach; ob dies erhellender ist als ein Abenteuerspielplatz schreibt Petzold nicht. Interessant wird es, wenn die Wirkung von Gewalt- und Schmerzdarstellungen als Bestandteil von Computerspielen verglichen wird mit denen von historischen, künstlerischen oder pornografischen Abbildungen. Offensichtlich bilden sich gerade neue soziale Verhaltensweisen heraus. Sind Ursache und Wirkung hier noch auseinanderzuhalten? Petzold schreibt, dass es sich bei der Ausstellung um mehr als „verkopfte Konzeptkunst“ handele, auf dem gedrängten Platz kann sein Beitrag nicht viel mehr leisten, als Exponate anzureißen, Themen und Analysen anzureißen und zu betonen, dass Wachter & Jud „eine Fülle von Fragen aufgeworfen“ haben.

Keine Überraschung ist, dass in der gedruckten Ausgabe dieser Bericht ersetzt wurde durch den alle Jahre wieder anstehenden Bericht Peter Korfmachers vom Weihnachtsoratorium in der Thomanerkirche unter Georg Christoph Biller. Am Ende wird er die Aufführung, enttäuscht, als „stilistisch und emotional uneinheitlich“, ja, „merkwürdig“ bezeichnen. Wenn Korfmacher zu Beginn noch die „in die Länge gezogenen Vorhalte“ in den Kantaten als „Widerhaken auf der Oberfläche des vielleicht allzu Bekannten“ akzeptiert, beklagt er schließlich bitterlich, dass Biller die Tempi für seine Chöre „mehrere Gänge zurückschaltet“, zur „Zähigkeit“ sich „Manierismen“ gesellen, bis sogar die Solisten, ohnehin von kfm mehr mit Kritik denn Lob bedacht, „alles Feingefühl fahren lassen“. Allein den Thomanerchor mag er uneingeschränkt loben. „Lang anhaltender Applaus“ des Publikums.

Ulf Heise schreibt über Alfred de Musset und den 200sten Geburtstag des Dichters, der - heute nahezu unbekannt – einer der großen Verseschmiede der Weltliteratur war. Der Dandy und „Don Juan“ mit großem „Frauenverschleiß“ wurde erst durch seine Beziehung zu George Sand „gezähmt“. Als diese den lieber trinkenden als schreibenden und schließlich erkrankenden Dichter zwar aufopferungsvoll pflegte, aber währenddessen ein Verhältnis zu einem anderen Mann begann, packte den vormaligen Frauenheld das große Jammern und die schiere Verzweiflung. „De Musset starb im Alter von nur 46 Jahren elend an den Folgen seines übermäßigen Alkoholkonsums.“

Jürgen Kleindienst berichtet über den Kreise ziehenden Skandal um gefälschte Bilder einer angeblichen „Sammlung Jäger“, der den gegenwärtigen Kunsthandel erschüttert. Wie aus dem Fälscher eines kleinen Aquarells von Max Pechstein, das „offenbar vergrößert und abgemalt“ wurde, und aus einem Anfangsverdacht eine gut organisierte Fälscherbande wurde, die mindestens 35 Werke im Kunstmarkt unterbringen konnte, hat Krimiqualitäten. Als „Kunst-Detektivin“ wiederum arbeitet seit neun Jahren Ulli Seegers für das „Art Loss Register“ und steht Kleindienst Rede und Antwort. Sie meint, „ohne jeden Zweifel“ werden in Zukunft noch viele Werke enttarnt, „der Skandal um die vermeintliche Sammlung Jägers ist doch nur symptomatisch für einen immer stärker kapitalisierten Kunstmarkt“, in dem nicht Kennerschaft und Sammlerleidenschaft dominierten, sondern Rendite und Profitstreben. Der Kunstmarkt selber sei daher nicht froh über die detektivischen Ermittlungen und Erkenntnisse des „Art Loss Registers“. Die Händler wollen nur verkaufen, haben daher kein Interesse an der Aufdeckung von Fälschungen.

In dem Interview Mathias Wöbkings mit Dirk Panter (SPD) über sein Abstimmungsverhalten bei der Novellierung des Kulturraumgesetzes meint der, er stimme definitiv mit Nein. Es gebe keine sachlichen oder finanziellen Gründe für die geplanten de-facto-Kürzungen. Es sei ein „rechtswidriger Eingriff in die Kulturkassen“, würde viele Eintritte erhöhen und freie Projekte unmöglich machen und verstoße nicht nur gegen die „Systematik des Kulturraumgesetzes“, sondern auch gegen den Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Auch den angeführten Grund, keine Neuschulden aufnehmen zu wollen, läßt Panter nicht gelten, schließlich behalte das Finanzministerium in 2011 und 2012 ca. 850 Mio € ein, ohne dass sie im Haushalt auftauchten. Das sei nicht seriös.

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