Mittwoch, 29. Dezember 2010

lvz kultur vom 29.12.10: Sol Gabetta, Frisch, Szabados & Marc Chagall

Die 29-jährige Cellistin Sol Gabetta ist für die lvz interviewt worden, Thomas Joppig hat sich mit seinen Fragen und Stichworten für jedes Gesellschafts-, Klatsch- und Personality-Blatt empfohlen. Natürlich kann man einwenden, erst mittels Themen wie "Bauchmensch oder Analytikerin", David Garrett, CD-Vermarktung via Topmodel-Look, 2-Mio-Euro teueres Cello, 800km zur Cellostunde und die berüchtigte "Jeden Tag in anderem Hotel"-Leier lassen sich den Künstlern interessante Statements entlocken. Was falsch ist. Aber beim quälend kleinbürgerlichen Joppig kommt hinzu, dass ihm auf intelligente Antworten oder Gesprächsangebote keine adäquate Weiterführung einfällt. Die Muschel bleibt geschlossen. Perle verborgen. Nur so viel: Gabetta analysiert selbstverständlich die Musik, die sie spielt (wenn auch nicht so studentenhaft, wie Joppig denkt) und verbindet sie dennoch mit ihrer Persönlichkeit und auch Befindlichkeit. Und sagt, dass kulturelle Bildung ein viel notwendigerer Schatz für den Menschen ist, als sich die meisten Erwachsenen, Kultur- und Bildungspolitiker eingeschlossen, das vorstellen. Was braucht ein Kind? Was ist wichtig im Leben? "Wir arbeiten, um uns etwas kaufen zu können: Einen Fernseher, ein iPhone, eine Reise. Und wir versuchen, uns damit von unseren Gedanken abzulenken." Nur: Wie werden aus gedankenlosen Erwachsenen gedankenvolle Kinder? Frau Gabetta hat nicht nur zu ihrer Musik etwas zu sagen. Herrn Joppig zumindest und die lvz hat das nicht weiter interessiert.

Zwei Biografien über Max Frisch sind erschienen, für Ulf Heise geben beide wenig neuen Aufschluss über das Phänomen Frisch. Die Germanistin Ingeborg Gleichauf hat irritiert, dass der Künstler schon sehr früh nichts anderes im Sinne gehabt hätte, als berühmt zu werden. Nun versucht sie zu erkunden, warum Frisch, als er es denn geworden ist, "nicht endlich zufrieden sein" könne. Sie fragt, "Wozu braucht er das?", als er ihrer Meinung nach im Leben längst hätte ausgefüllt sein müssen. Dass sie mit so vorgefassten Meinungen auf die eigentlichen Antriebe von Künstlern keine Antwort geben kann, liegt nahe. Noch der tote Frisch habe sich ihren Annäherungen verweigert, klagt sie leicht esoterisch.
Auch die Biografie des Journalisten Volker Weidermann konstatiere nicht viel mehr, als dass Max Frisch ein Mensch der vielen Masken gewesen sei, ein Chamäleon, und persönliche Spuren gerne verwischt habe.
Wo Gleichauf versucht, Frisch aus seinem Inneren heraus zu verstehen, schaut Weidermann mehr von außen. Beide scheitern.
Stilistisch haben laut Heise beide zudem nur begrenzte Qualitäten.

Böse Vorahnungen beschleicht, wer Halles OBM Dagmar Szabados (SPD) lamentieren hört, dass für eine "Kulturstadt Halle" 50 Mio Euro sicher nicht notwendig seien, solange "eine Vielzahl von Spielstätten nur zu 60% ausgelastet seien." Immerhin trägt sie als Aufsichtsrat die Politik der Theater, Oper & Orchester GmbH mit. Eine andere Idee als die Schließung des wichtigen und erfindungsreichen Kinder- und Jugendtheaters Thalia Halle hat man bisher nicht von ihr vernommen. Und der Haustarifvertrag, mit dem eine übergangsweise Rettung möglich wäre, ist von ihrer Seite weiterhin nicht unterzeichnet worden.

Erstmals sind viele Gemälde, Zeichnungen und grafische Werke des jüdischen Malers Marc Chagall unter dem Ausstellungs-Titel "Lebenslinien" in Deutschland zu sehen, im Bucerius Kunst Forum Hamburg. Die Ausstellung mit Bildern großteils aus der Sammlung des Israel Museums Jerusalem vermag es, Chagalls "Wirkung, oder besser gesagt, Berührung lebendig zu machen." Zudem zeige sie, wie Chagalls Konfrontation zum Kubismus von Braque und Picasso entstanden ist. Dass der Mythos Chagall, der für diese "gegenständlich formierte Rebellion" gegen die "neuen Sichtweisen der bahnbrechenden Abstrakten" steht, aus "ganz persönlichen Lebenslinien" heraus auf den Fantasiereichtum seiner Jugend in Witebsk zurückzuführen sei, möchte die Hamburger Ausstellung zeigen, wie Rosemarie Fiedler-Winter für die lvz bemerkt.

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