Montag, 27. Dezember 2010

lvz kultur vom 27.12.10: "Go West"-Dinda, Thielemann, Semperoper & CDU-Winkler

Der anspruchslos-anbiederische Text Jens Szameits über den 27-jährigen Schauspieler Franz Dinda macht aus diesem einen Franz Dingsda, so langweilig, nichtssagend und aufgemotzt klingt Szameits Aufsatz in der lvz über ihr Gespräch. Anlass dafür ist Dindas Auftritt im Pro-Sieben-Zweiteiler "Go West", der eine Flüchtlingsgeschichte aus der DDR Mitte der 80er Jahre in eine krude Kolportage im Stil einer "wilden Verfolgungsjagd samt Schießereien, Liebeleien, Hoffnung, Verzweiflung und Verrat" verwandelt. Außer, dass dieser Zweiteiler "das erste große fiktionale Prestigeprojekt des neuen Fernsehjahres" sein soll, hat Szameit über den Film nichts mehr zu sagen. Nur über seinen Darsteller. Und darüber, dass sich der Film für diesen als "Sprungbrett" erweisen könne, schließlich spielten auch noch zwei weitere "Jungstars" mit. Der wegen seiner "besonderen Stil-Verdienste" mit dem Titel "Gentleman of the Year" ausgezeichnete Dinda möchte nicht als "schnuckelig" gelten, Stil bedeute "Authentizität und Glaubwürdigkeit". Dazu fallen Szameit zuerst "die Frotteesweatshirts und Cordjacken aus der Filmrequisite" ein, darüber wisse Dinda wiederum "genau" Bescheid, schließlich sei er in der DDR aufgewachsen. Tatsächlich war er fünf Jahre alt, als er die DDR Richtung Schwaben verließ. In seinem Leben kannte Dinda angeblich nur ein Ziel: "Wie komme ich aus meinem Dorf zum Film?" Zeit, eine Schauspielausbildung zu machen, hat er sich nicht genommen, schließlich lockte das "spannende Leben" in Berlin. In der "gespaltenen Stadt" bemerkte der Pfarrersohn "Schönheit und Hässlichkeit", sogar "Stress, Dreck und menschliche Abgründe" habe er wahrnehmen müssen.
Dank "jahrelanger Beharrlichkeit" habe er in dieser Zeit einen Band mit Liebesgedichten herausgebracht, in dessen Eigenvermarktung der hübsche Satz steht: "Der junge, eigenwillige Schauspieler Franz Dinda steht für eine Generation, der das Wort Romantik kein Fremdwort ist, eine Generation, die sich das Leben und Lieben nicht verbiegen lassen will, die ihre ganz spezifischen Sehnsüchte hat, Gedanken, die ins Weite ragen, ins Unmögliche, Ungesicherte." Diese "unmöglichen Gedanken" des Franz Dinda sollen "langfristig für Anspruch stehen", beispielsweise, wenn er im Gespräch ganz selbstverliebt ("Dinda lacht, wenn ihm so schöne Sätze einfallen") stolz auf das selbstgefundene Sprachbild von seiner eigenen "Generation, die immer mit einem Finger an der Banalität kratze" ist oder seine Erkenntnis, er sei "sehr dagegen, die DDR zum Pudel der Gesellschaft zu machen, der auf Multifunktionstische und Trabanten reduziert wird". Dieser Beweis an "Eigenbrödler"-tum passt zu seinem nächsten gesteckten Ziel: Den Deutschen Filmpreis, die Lola. Warum? "Schon der Ästhetik wegen." Büchner ließ in solchen Fällen seinen Valerio in "Leonce und Lena" sagen: "Mein Ehrgeiz geht auf eine bunte Jacke."

Wahrhaft investigativ hat sich ein deutsches Fernsehteam von MDR Radio Sachsen erwiesen, als es bei Recherchen über eine in den letzten Kriegsjahren aus dem Dresdner Zwinger gestohlene und verloren geglaubte Porzellan-Nymphe aus "dem legendären Meissner Schwanenservice" diese im "Museum of Art" Toledo (Ohio, USA) wiedergefunden hat. Die Figur solle nun an die Erben des ursprünglichen Besitzers zurückgegeben werden.

In "ausgepresst" bedauert Nina May, dass sie bei all den vielen Adventskalenderrätseln, an denen sie sich fleißig ("Da hatte man das Gefühl, vor der Arbeit schon etwas erledigt zu haben") beteiligte, keinen Preis gewonnen habe, nicht einmal "einen mobilen Duschkopf". Nur eine Fülle von neuen Werbenachrichten auf ihrem Mailaccount, die "etwa verheißen: 'Ihr Gewinn wartet nur auf Sie.'" Irgendwie fies, will uns dieser Versuch einer charmant-selbstironischen Volte wohl erzählen.

Michael Ernst beginnt seinen Text über ein Interview mit dem kommenden Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle, Christian Thielemann, gleich mit dem nicht nur dämlichen, sondern auch in mehrfacher Hinsicht schiefen und falschen Sprachbild "Das Silvesterkonzert ... dürfte ein schwungvoller Ausblick auf eine klingende Zukunft werden." Inhaltlich schleimt sich Thielemann an die Dresdner heran, indem er mit der Tür "Lehárs 'Lustige Witwe'" ins Haus "Semperoper" fällt, und sich im Gespräch als "noch immer Lernender" bezeichnet, als der "man gut daran tut", "genau" auf das große Orchester "hinzuhören". Anschließend "kann man überlegen, was tue ich als Dirigent hinzu." Auch sonst "halte ich mich zurück, will nicht bevormunden." Wers glaubt... Dass er nur gewillt ist, mit den besten Sängern und Musikern zu arbeiten, macht er allerdings mehrfach klar.

Dafür hat wiederum der Sächsische Landtag und insbesondere Staatsministerin Frau von Schorlemer längst die Weichen gelegt. "Wie eine Löwin" habe von Schorlemer "für die [Dresdner] Oper gekämpft", freut sich Semperoper-Intendantin Ulrike Hessler, erstmals seit langer Zeit habe der Freistaat wieder Tarifsteigerungen im Etat für die Bühne berücksichtigt", außerdem sollen laut lvz redakteur Jörg Schurig neue Probebühnen gebaut und eine Bühne für Kinder eingerichtet werden. "Wir bekommen mit Thielemann einen der Top-Dirigenten der Welt. Das geht nicht mit Stadttheater zusammen", macht Hessler "die Ansprüche klar". Von der ehemaligen Marketingchefin der Bayerischen Staatsoper Hessler berichtete die "Welt" 2008, wenn sie auch bisher in keine kreativen Prozesse eingebunden gewesen sei, "könne sie gut mit Politik und Glamour." Dies hat sie unter Beweis gestellt. Und den in finanzieller Hinsicht weiten Abstand zur Leipziger Oper vergrößern können. Dem Freistaat sei Dank.

In diese Kerbe haut im lvz Lokalen aus durchsichtigen parteitaktischen Erwägungen ausgerechnet Leipzigs CDU-Vorsitzender Hermann Winkler, der "Haltet den Dieb" schreit und OBM Burkhard Jung und Bürgermeister Michael Faber vorwirft, die "Verhandlungsposition der Stadt Leipzig bei der Kulturraumförderung geschwächt" zu haben. Dass er selbst wie seine CDU-Kollegen im Landtag die Residenzstadtpolitik Dresdens unterstützte und Leipzigs Hochkultur perfide schädigte, scheint längst Schnee von gestern. Stattdessen will Leipzigs OBM-Kandidat der CDU in spe Kapital schlagen aus der Tatsache, dass die Semperoper nur eine bundesweit einmalige Pro-Platz-Bezuschussung von ca. 100 Euro braucht, ohne zu betonen, wie die Oper von Dresdens Tourismus profitiert. All diese "parteitaktischen Spielchen" weist Winkler als solche weit von sich. "Selbstverständlich" spielten diese keine Rolle in seinem Denken. "Das Gemeinwohl der Stadt und die große Bedeutung der Kultur für Leipzig sind uns extrem wichtig", zitiert lvz redakteur Ulrich Milde Winkler und schließt seinen Text mit einem weiteren Winkler-Zitat: "Die CDU habe viele gute Frauen und Männer" - wie ihn.

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