Mittwoch, 22. Dezember 2010

lvz kultur vom 22.12.10: Cirque du Soleil, Gewandhaus, Halle 14 & Detlef Vitzthum

Ein modernes Konzept von Zirkus verkörpert der Cirque du Soleil, Menschen, ohne Tiere und weitgehend ohne Sensationen. Dafür ein "Musical-Touch", ein "Hauch von Schauspiel" , Künstler, die früher Sportler waren und Multi-Kulti in Multi-Funktionsarenen. Eine Show ohne Zelt. Die Bühne ständig belebt, von Akrobaten und Clowns. Davon aber gleich 55 und beileibe nicht nur als jugendliche Athleten. Antonia Rassow hat für die lvz im amerikanischen Houston die Show besucht, die im September 2011 nach Leipzig kommen wird, in die Arena. Dann ist sie bereits 16 Jahre alt. 21 solcher Shows gibt es derzeit weltweit, aus 3800 Mitarbeitern besteht der Cirque. Wirklich sensationell und nie gesehen, wie von Artistik-Direktor Tim Smith versprochen, ist nur die Darbietung der Aerial High Bars. "Glück, Freude und Begeisterung" wollen sie versprühen. In den modernen Arenen durchaus ein "Drahtseilakt", wie Rassow vermerkt.

Hortensia Völckers, künstlerische Leiterin der Bundeskulturstiftung, fordert die Bürger in Deutschland auf, für den Erhalt ihrer Kulturstätten zu kämpfen. Die Kommunen allein seien mit der Finanzlast für ihre kulturelle Infrastruktur überfordert, letztlich könne nur der Bund Steuern anders verteilen. Bürgerliches Engagement sei nun wichtig, als Beispiel nennt Völkers die vielfältigen Aktionen gegen die Schließung des Thalia Theaters Halle, in Leipzig unter anderem vom Theater der Jungen Welt. Die Hallenser Kinder- und Jugendbühne ist entgegen voreiligen Meldungen längst noch nicht über den Berg. Der Aufsichtsrat, voran die Stadt, will die Haustarifverträge nicht unterzeichnen, weil er befürchtet, nach neuen Verhandlungen über die Höhe der Landeszuschüsse, die nach der Wahl des Landtags Sachsen-Anhalt erfolgen, könnten auf die Stadt Halle höhere Kosten zukommen, auf denen sie dann möglicherweise sitzenblieben.

Im August 2010 hatte das Gewandhaus Leipzig eine Verlustwarnung herausgegeben, wie es in der Regel börsennotierte Betriebe tun. Grund war vor allem, dass Sponsoren wichtige Zusagen möglicherweise nicht einhalten würden. Zwar hat sich die Befürchtung dann doch nicht in größerem Ausmaß bestätigt, doch ein Minus von 141.000 €, das in 2009/10 angefallen ist, muss ausgeglichen werden. Angeblich seien der Ausfall dreier Konzerte und eine IT-Havarie Schuld am Ergebnis.

Mathias Wöbking schreibt in "ausgepresst" über neue Mittel und Wege von Oper, Gewandhaus und Schauspiel Leipzigs, Einnahmen zu generieren ("Produktdifferenzierung"). Möglichst sogar die 640.000 € zu erwirtschaften, die durch gesunkene Kulturraumzuschüsse ausbleiben. Ganz klar wird zwar nicht, wodurch, aber Wöbking baut auf die gute Erfahrung mit der Beschallung von klassischer Musik über Bahnhofslautsprecher. "Niemand hält die Beschallung lange aus, Obdachlose und Junkies verschwinden von selbst", stellte Wirtschaftsberater Mark Eting fest. Bei Paul Potts im Hauptbahnhof waren es insbesondere Konsumverweigerer, die bei seinem Auftritt schleunigst das Weite suchten. Ob man sogar zum äußersten greifen sollte und neben "Vivaldi, Mozart und Tschaikowski" (Eting) noch andere Komponisten einmal nicht im Bahnhof, sondern in Opern- und Gewandhaus darbieten sollte? Dann würden folglich sämtliche Zuschauer fluchtartig das Haus verlassen. Bekannt sei ja, dass jede Aufführung immense Zuschüsse erfordere und der einzig sichere Weg, keine Unkosten zu erzielen, nur die nicht stattfindende Vorstellung sei. Ob die vertriebenen Opernjunkies im Publikum dann wieder retour zum Einkaufsparadies Bahnhof schlendern und CDs in ihren Handtäschchen verschwinden lassen, ist allerdings offen.

Zeitgenössische Kunst aus Ghanas Hauptstadt Accra ist derzeit in Halle 14 der Baumwollspinnerei zu sehen. Magdalena Fröhlich berichtet von der Ausstellung "Pause the Pulse", in der das Leben der Stadt in unterschiedlichsten Formaten eingefangen würde. Kunst, die nicht traditionellen Klischees entspreche, die nicht tourimuskompatibel sei, gäbe es kaum in Ghana, doch dies sei nicht der Grund für die Schwierigkeiten, die die Ausstellung hatte. Es war das Geld, die Akquise sei schwerer als erwartet gewesen. Den 14 Künstlern, kuratiert von Frank Motz, können daher nur Summen von 300 € gezahlt werden (statt 700 bis 1000 €, wie sonst üblich). In der 4-Millionenstadt Accra, dessen Stadtteile mitunter einer einzigen großen Müllhalde glichen, würden Künstler häufig aus Altmaterialien neue Werke schaffen.

Drei Tage nach Weihnachten verlässt der bald 65-jährige Detlef Vitzthum das feste Ensemble des Theaters der Jungen Welt. 38 jahre lang war er Schauspieler, später auch Regisseur an Leipzigs Kinder- und Jugendtheater. Dennoch. Der Abschied fällt ihm nicht schwer. Heimat sei sie für ihn nicht mehr, die Bühne am Lindenauer Markt, "die Heimat ist vor geraumer Zeit schon von mir gegangen" beschreibt der "Kumpeltyp mit Lust am Einmischen und Mitreden" das Dilemma. Egal in welcher Funktion, zitiert ihn Nina May, nicht nur am Theater, schon zu DDR-Zeiten in der Partei habe er "immer versucht, diese Gesellschaftsordnung, an die ich nie den Glauben verloren habe, zu verbessern." Als "störrisch-liebenswerter Oberzwerg" agiert er derzeit im Weihnachtsstück "Schneewittchen lebt!" auf der Bühne, als Steinchen auf dem Spielbrett mag er sich nicht länger hin- und herschieben lassen.

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