Mittwoch, 15. Dezember 2010

lvz kultur vom 15.12.10: Extremismus-Klausel, Jolie und Depp, Viertel & Faber

Niederlage für Innenminister Ulbig. Die sogenannte Extremismus-Klausel, mit der der Freistaat Sachsen alle Empfänger staatlicher Fördermittel oder Preisgelder zwingen wollte, ihre Verfassungstreue zu erklären und die ihrer Partner gleich mit, wird überarbeitet. Auch der Kreis der überprüften Organisationen wird laut lvz redakteur Sven Heitkamp reduziert, soll sich nun allein auf sogenannte Demokratieprogramme beschränken, und nicht mehr alle Nutznießer von Zuwendungen von den Freiwilligen Feuerwehren bis zu Sportvereinen umfassen. Ein Gutachten des Berliner Rechtswissenschaftlers Ulrich Battis hatte den Teil der Klausel, der vorschrieb, dass die Empfänger auch für die Verfassungstreue ihre Partner die Hand ins Feuer legen sollten für rechtswidrig gehalten.

Bei der anstehenden Novellierung des Kulturraumgesetzes wurde in einer Expertise des renommierten Rechtswissenschaftler Prof. Fritz Ossenbühl, der seinerzeit an der Ausarbeitung der Kulturraumgesetzgebung beteiligt war, ebenfalls die mögliche Rechtswidrigkeit des aktuellen Vorhabens konstatiert. Ob Staatsministerin Sabine von Schorlemer die Größe besitzt, den Sachverhalt klären zu lassen, bevor die Novelle verabschiedet wird, ist mehr als zweifelhaft. Zu starr hat die Ministerin bisher jede Andeutung eines Eingehens auf die Argumente der Skeptiker oder Kritiker schroff bis arrogant abgewiesen.

Für Hollywoodverhältnisse ist der neue Film von Oscarpreisträger Florian Henckel von Donnersmarck, "Der Tourist", geflopt. Da halfen auch Angela Jolie und Johnny Depp in den Hauptrollen nicht. Süffisant merkt Kritiker Norbert Wehrstedt an, Jolie sei "dummerweise" keine Grace Kelly oder Lauren Bacall, Depp kein Cary Grant. Die Yellow Press alleine ist kein Maßstab, die Protagonisten keine "unglaublich charismatischen Menschen", wie Donnersmarck im Interview äußerte. Donnersmarcks Scheitern sieht Wehrstedt in einer Reihe mit den Versuchen von Wim Wenders, Oliver Hirschbiegel, Mennan Yapo und Robert Schwandtke, Hollywood zu erobern. Erst um den Preis der Selbstaufgabe bzw. des Verzichts auf eine eigene Handschrift sei für deutsche Regisseure dort ein Erfolg denkbar, wie Roland Emmerich und Wolfgang Petersen beweisen. Schöne, glanzvolle Settings allein machten noch keinen Film. Aber um Angela Jolie wenigstens als Femme fatal glänzen zu lassen, dürfe Donnersmarck sie auch nicht in "hemmungslos verklemmten Szenen" agieren lassen. Jérôme Salles "Anthonys Zimmer", die Vorlage für "Der Tourist", hatte immerhin noch eine "erotisch aufgeladene" Sophie Marceau zu bieten, bei der Jolie knisterte allein Venedigs morsches Holz.

Jürgen Kleindienst wird wegen seiner Glosse "Stille-Nacht-Erlass" von der Einzelhändlergemeinschaft Leipzigs sowie dem Verband der Weihnachtsmarktbetreiber auf Schadensersatz verklagt. Zu sehr habe sein Text, in dem er einen verhängten Aufführungs-Stopp für Weihnachtslieder in Kaufhäusern, Glühweinbuden, Fitnessstudios, Arztpraxen und Werbesendungen genüßlich ausbreitete, Zigtausende von Advents-Kunden verunsichert und zu einer regelrechten Kaufzurückhaltung, stellenweise gar Panik animiert. Ohne Weihnachtslieder kein Umsatz, so die Kaufleute, amerikanische Pop-Weihnachtslieder hätten keineswegs die notwendige umsatzsteigernde Wirkung, sechs Wochen Dauerberieselung müsse hingenommen werden. Die lvz spiele ganz entgegen bisheriger Absprachen der Verbände mit lvz chefredakteur Bernd Hilder mit der Zukunft der fragilen Binnennachfrage in Leipzig, da verstünden sie definitiv keinen Spaß.

Thomas Mayer preist die Neuauflage eines Erinnerungsbands von Salka Viertel an, der unter dem Titel "Das unbelehrbare Herz - Erinnerungen an ein Leben mit Künstlern des 20. Jahrhunderts" erschienen und mit einem Nachwort des Professors am Leipziger Literaturinstitut Michael Lentz versehen ist. Die Schauspielerin Salomea Sarah Steuermann, die später den Regisseur und Drehbuchschreiber Berthold Viertel heiratete, der in den Dreißiger Jahren von Hollywood engagiert wurde, lernte in ihrer Villa am Pazifik viele berühmte Künstler kennen, unter ihnen Bertolt Brecht, Sergej Eisenstein, Lion Feuchtwanger und andere. Michael Lentz hält diese Art von "Dokumentarprosa" für legitim. Zumal er selbst in der von Feuchtwanger bewohnten Villa Aurora als Stipendiat lebte und den Roman "Pazifik Exil" geschrieben hat. Mayers Klatsch- und Tratschartikel zieht sogar noch den Bogen zu Salka Viertels Sohn Peter, der das Buch dieser "aufregenden Geschichte" dieser Familie fortgeschrieben habe. Der "Weltbürger" sei sogar - man glaubt es kaum - mit Ernest Hemingway "angeln" gewesen.

Peter Korfmacher analysiert noch einmal kurz vor dem Showdown die Chancen und Risiken der Kontrahenten Faber und Jung. Das Abwahlverfahren zu Ungunsten Michael Fabers, das am 15. auf der Tagesordnung des Stadtrats steht (Punkt sechs der TO), werde keinen Sieger kennen, sondern nur Beschädigte. Zu der definitiv auch die Leipziger Kultur zähle. Die "Verantwortung für diesen Schatz" hatte sich OBM Jung nach der Entmachtung seines Kulturbürgermeisters selbst aufgebürdet. Auf lvz-online wird ein Live-Ticker zum Boxkampf der beiden Gegner geschaltet. Beginn: 14 Uhr.

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