Dienstag, 14. Dezember 2010

lvz kultur vom 14.12.10: Leipziger Erklärung, Michael Jackson, Michael Faber & Stefan Herheim

Für OBM Jung ist die Entscheidung gefallen. Leipzig wird verlieren. Die Novellierung des Kulturraumgesetzes wird kommen. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition steht. Doch am Vorabend der bitteren Entscheidung wärmt es das Herz, sich noch einmal bei einer gemeinsamen Aktion der Kultureinrichtungen gegenseitig zu vergewissern beim Verlesen der "Leipziger Erklärung". Jürgen Kleindienst beschreibt dies ironisch als "Moritat vom drohenden Kahlschlag". Auf 11:55 Uhr ist das "apokalyptische Tremolo" angesetzt, das man als "Klientel-Gebarme" abtun könne, wenn sie nicht nahezu sämtliche Leipziger Kultureinrichtungen sowie 137 Unterstützer aus Sachsen umfassen würde.
Einziger substanzieller Mutmacher ist Burkhard Jungs Ankündigung: "Wenn die Novellierung durchgeht, werden wir Verfassungsklage einlegen."

Das nach Michael Jacksons Tod posthum erschienene Album "Michael" ist veröffentlicht. Einerseits, schreibt Roland Mischke, sei die Platte nicht schlecht, andererseits lässt sie mehr das Genie des Musikers ahnen, als es zu zeigen, sei gar ein "Abgesang auf den King of Pop". Nur einen Song hat Jackson wirklich beendet. Alle anderen Titel seien später aufbereitet worden. Jacksons Stimme "mit Tonkunsttricks" bearbeitet worden, möglicherweise sogar "ein Imitator" eingesetzt worden. Bei einem Song würde der senegalesische Sänger Akon seinen Meister förmlich "an die Wand singen". "Aber die Produzenten und der Jackson-Clan wollten noch mal Kasse machen. Keine Zeit fürPietät."

Den Trend zur Mehrfachverwertung der Inszenierungen marktgängiger Regisseure belegt Stefan Herheims Inszenierung von Dvoraks Oper "Rusalka" an der Semperoper Dresden. Nach Brüssel und Graz wird sie nun auch in der sächsischen Hauptstadt gezeigt, die deutsche Neuauflage studierte Therese Schmidt ein. Herheim zeigt keine "ferne Märchenwelt", sondern ein "tödliches Märchen im explodierenden Kopf eines Mannes, der sich von falschem Zauber blenden lässt". Für Boris Michael Gruhl zeigen sich in Herheims Deutung sogar Ähnlichkeiten mit der Figur des Woyzeck von Georg Büchner, nicht zuletzt in der Schilderung als "Kriminalfall". Doch "die Bilderflut der gegen Ende immer zäheren und immer weniger stringenten Inszenierung in dürftig bewältigter Schnitttechnik drängt leider die Musik arg zurück", auch wenn dies "schade" sei wegen Tomás Netopils "fein gewobenen lyrischen Passagen", die der Dirigent der Sächsischen Staatskapelle abringt. Alles in allem sei der Neuaufguss "Schnee von gestern" befindet Gruhl indigniert, auch wenn Herheim bereits zum dritten Mal zum Regisseur des Jahres gekürt worden sei.

Als Scherz bezeichnet Meinhard Michael Timm Rauterts kunstmarktgerechte Idee, auf seinen Bildern der Leipziger Ausstellung "TEXT. Neue Arbeiten" das Geburtsjahr des Käufers anzubringen. Er beschreibt das Vorhaben als "spleenige performative Praxis", die allerdings "einen schönen, frechen Sinn" habe: als Text . Überhaupt Texte. Die haben es Rautert derzeit angetan, er sortiert immer wieder Texte neu und gibt ihnen dadurch "extrem neue Lesarten". Immer wieder kombiniert er Bilder- und Texträume, zu selbst geschossenen Fotos aus dem Pariser Cabaret montiert er etwa Zeitungsausschnitte über den Freitod des Betreibers. Andere Fotoarbeiten zeigen Hubschrauber der amerikanischen Armee in Irak und umspielen den legendären Namen von "Crazy Horse". Sieben schwarze Fotos stellen eine Arbeit über Mehrfachvergewaltingungen an der Richmond School dar, hier bleibt nur noch Text übrig, eine Meldung über die Hilflosigkeit des Opfers.

Die Abwahl des Kulturbürgermeisters Michael Faber sorgt laut Mathias Orbeck und Peter Korfmacher für Nervosität bei den Stadtratsparteien. OBM Jung hat bereits über die Ältesten der Parteien alle - bis auf die Linken und die NPD - auf Linie gebracht, heißt, zur Anwesenheit verdonnert. Es wird ein Kampf um jede Stimme. Bis auf CDU-Fraktionschef Rost wollen alle ihre Stimme abgeben, Rost fährt zu den gleichzeitig stattfindenden Haushaltsberatungen nach Dresden. Doch wichtig ist: Die SPD hat ihr Schäflein scheinbar im Stall, die Abgeordneten "stehen zur Abwahl bereit". Anders als vor einem Jahr. Demokratische Prozesse haben in der Regel andere Abläufe.

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