Freitag, 10. Dezember 2010

Nachtrag - lvz kultur vom 10.12.10: Was Theaterkünstler verdienen

Nachdem mir gestern der Schlaf ein Schnippchen geschlagen hat, wenigstens noch ein paar Sätze zum 10.12.
Das Gespräch von Peter Korfmacher mit dem GDBA*-Chef Hans-Joachim Kliebes (*Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger) über die Situation an deutschen Theatern ist überfällig, auch wenns ein Interessenvertreter wie die Politiker ist. Politiker haben leider den x-fachen Platz für ihre Meinungen in den Medien. Die GDBA vertritt die Theaterkünstler. Also Sänger, Schauspieler, Tänzer, Dramaturgen, Regieassisten, Kostüm- und Bühnenbildner und andere mehr. Kliebes ist ein ruhiger, moderater Mensch. Kein lauter Ton ist seinen Statements zu entnehmen. Nur beinahe resignative Sachlichkeit. Er redet über die Unart der Haustarifverträge, die längst zum Usus geworden sind. Also Streichen der Zuwendungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Theater sind ohnehin eine Zeitarbeitsbranche. Festanstellungen gibt es nicht für Künstler, es sei denn sie sind 15 Jahre ununterbrochen an einem Haus beschäftigt. Und selbst das gilt mit dem neuen (seit 2002) Tarifvertrag nicht mehr ohne weiteres. Die Künstler sind in aller Regel studierte Leute, haben jahrelange Ausbildungen hinter sich. Und verdienen oft als Anfangsgehalt 1.600 €. Nicht netto. Brutto! Auch zwanzig Berufsjahre später verdienen viele Schauspieler nicht mal 2.500 €. Ganz selten 3000 €. Alles brutto! Samt erheblich mehr Abgaben als Normalverdiener, weil es eine zusätzliche Pflichtversicherung in Höhe von 4,5% des Bruttolohns (Arbeitnehmeranteil), abgezogen vom Nettolohn gibt. Also 90 € weniger bei 2.000 € Gehalt.
Zugegeben, Orchester und Chormitglieder verdienen mehr. Sie werden als "Kollektive" von einer anderen Gewerkschaft vertreten, "verhandeln" nicht individuell, im persönlichen Gespräch, mit dem Chef. ber auch diese Kollekte werden, wie Kliebes betont, immer häufiger aus finanziellen Motiven heraus zu Solisten umdefiniert.
Normale Gehaltssteigerungen überfordern bereits die allermeisten Theater, d.h. in aller Regel die Kommunen. Der Personalkostenanteil, im Grunde die eigentliche Investition der Theater, liegt ja bei 75% plus minus. Ideen, wie damit umzugehen ist, sind Mangelware. Rezepte (Kürzungen, Zusammenlegungen, GmbH-Bildungen) haben längst ihre Unschuld verloren, sind leerlaufender Aktionismus unter dem Label der Zukunftssicherung.
Ein grundsätzliches Manko liegt in der Betrachtung, dass sich Kunst im ökonomischen Sinne rechnen muss. Selbst, wenn vorausgesetzt wird, dass Kultur eine Umwegrentabilität besitzt (warum nur braucht die Semperoper Dresden eine statistisch so niedrige pro-Platz-Subvention?), ist der gesellschaftliche Reichtum (und Nutzen, jawohl!), den Kultur zur Folge hat, einfach nicht in seiner eigentlichen Dimension (an-)erkannt. Kultur trägt erheblich mehr zur Zivilisierung und Befriedung einer Gesellschaft bei als Sicherheitsorgane oder Militär. Nicht mehr das Schöne, Wahre, Gute als Zierat einer überholten Gesellschaftsschicht ist Inhalt von Theaterkunst, sondern z.B. die geistvolle Entschleunigung einer immer besinnungsloseren Lebens- und Arbeitswelt, mitunter stellen die Theater auch Strohhalme dar für die Vergewisserung einer Restwürde, die selbst ökonomisch nutzlosen Menschen nicht genommen werden darf.

Theater haben gesellschaftspolitischen Wert, hierin Schulen durchaus ähnlich. Sie besitzen nicht nur ökonomischen-, touristischen- oder Wohlfühl-Wert. Ein Anfang, dies anzuerkennen, wäre:
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt jede Theaterkarte (oder die einer anderen kulturellen Einrichtung) für Schüler oder Auszubildende mit einem bestimmten Satz. Als Beitrag zur kulturellen Bildung junger Menschen. Das würde nicht nur bestehenden Institutionen wie auch Kommunen oder Ländern eine Entlastung bringen, sondern auch die Anstrengungen der Theater, junge Zuschauer zu gewinnen, erheblich steigern. Und sollte auch die Kultur- und Bildungshoheit der Länder nicht negativ tangieren. Vor allem sollte es von der unseligen Ökonomie-Fixiertheit beim Blick auf die Kosten für Kultur wenigstens etwas freimachen.

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